"Sie hat mir gleich alles erzählt"

Die Polizistin Freudenberger berichtet über ihr Gespräch mit Kampusch.
Kurz nach der Flucht von Natascha Kampusch hat sich die Polizei um die im Alter von zehn Jahren Entführte gekümmert.

©Bild: ORF
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Im Interview mit "Thema" berichtete die junge Polizistin Sabine Freudenberger von ihrem Gespräch mit der mittlerweile 18-Jährigen. Freudenberger war die erste, der Kampusch von den acht Jahren in Gefangenschaft erzählte.

"Alles immer freiwillig gemacht"
Auf die Frage des Reporters, ob Natascha ein Missbrauchsopfer sei, antwortet Freudenberger: "Meiner Ansicht nach ja. Das ist ihr aber selbst nicht klar. Sie hat das alles immer freiwillig gemacht, hat sie gesagt."

Angst vor den Polizisten
Vor den anderen Kollegen auf dem Polizeirevier habe die junge Frau Angst gehabt, berichtet Freudenberger: "Sie hat gezittert. Sie war käseweiß." Die Polizistin borgte der nur mit einem leichten Trägerkleid bekleideten Kampusch eine Dienstjacke. Dadurch sei das Eis zwischen den beiden gebrochen.

Kampusch wollte noch die Straßenseite wechseln
"Sie hat mir gleich alles erzählt - von Anfang bis zum Ende, ohne jede Scham", so Freudenberger. Am Tag der Entführung habe Kampusch den Kopf voll gehabt mit Gedanken an einen Streit mit ihrer Mutter.

Am Straßenrand habe sie dann einen Mann mit einem Lieferwagen gesehen. Sie habe bereits überlegt, die Straßenseite zu wechseln - es dann aber doch unterlassen.

Er wollte Kampusch
"Es wird schon nichts passieren", soll sich Kampusch gedacht haben, bevor sie für acht Jahre in Gefangenschaft verschwand. Später habe ihr Peiniger zu ihr gesagt: Wenn er sie an diesem Tag nicht erwischt hätte, dann am nächsten.

Wolfgang Priklopil habe es eindeutig auf Kampusch abgesehen gehabt. Diese gab laut Freudenberger an, den Mann vor der Entführung nicht gekannt zu haben. Während der ersten Jahre habe sie nicht einmal seinen Namen gewusst.

Bereits zuvor hatten Polizisten berichtet, dass Kampusch den mutmaßlichen Entführer mit "Gebieter" ansprechen musste.

"Diese Frau ist gebildet"
Der 44-Jährige habe laut Kampuschs Angaben sehr auf ihre Ernährung und Hygiene geachtet. Freudenberger berichtet, dass die Entführte gepflegt gewesen sei, aber Ausschläge auf ihren Füßen habe.

Auf Freudenberger habe Kampusch insgesamt einen sehr positiven Eindruck gemacht: "Diese Frau ist gebildet, sie ist hochintelligent. Sie hat einen Wortschatz - unglaublich."

Kampusch sei von Priklopil mit Büchern versorgt worden - auch mit Schulbüchern. Priklopil habe sie unterrichtet, gab Kampusch gegenüber Freudenberger an.

Versuche, Priklopil zu überreden
Immer wieder, berichtete Kampusch gegenüber Freudenberger, habe sie versucht, Priklopil zu überreden, sie freizulassen. Sie wolle eine Familie und Kinder haben, sie wolle die Freiheit.

Kampuschs Bitten blieben ungehört. Priklopil habe ihr gedroht, dass ihr und ihrer Familie etwas passieren würde, wenn sie fliehe.

Tage mit Priklopil verbracht
Kampusch berichtete gegenüber Freudenberger, ihre Tage oft gemeinsam mit Priklopil verbracht zu haben. Man habe gemeinsam gefrühstück. Im Lauf des Tages habe sie im Haushalt geholfen und auch bei der Gartenarbeit. Ansonsten habe sie den ganzen Tag über Radio gehört.

Der Wunsch nach Schmuck
Freudenberger erzählt, dass Natascha die Haare und den Schmuck der Polizistin bewundert habe: "Sie hat das alles nicht gehabt. Er hat zu ihr gesagt, dass er dafür kein Geld habe. Irgendwann würde er ihr Schmuck kaufen."

Freudenberger habe Kampusch daraufhin ihre Uhr geschenkt. Die Polizistin spricht von einem "freundschaftlichen Verhältnis", das sich im Verlauf des Gesprächs entwickelt habe.

Nannte Peiniger "Verbrecher"
Freudenberger gab auch der "Berliner Zeitung" ein Interview. Dort sagt sie über Kampusch: "Sie war so froh, dass alles vorbei war und dass sie mit jemandem sprechen konnte."

Kampusch sei sehr offen und gefasst gewesen. Ihren Peiniger nenne sie nur "Verbrecher". Und rede dann abwechselnd positiv und negativ von ihm.

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