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Festgehalten wurde sie in einem Verlies, das sich in einer vier mal drei Meter großen Montagegrube in der Garage befand, erklärte Gerhard Reischer, stellvertretender Leiter der Sicherheits- und kriminalpolizeilichen Abteilung Niederösterreich.
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Sie durfte mit Einschränkungen fernsehen und Zeitungen lesen.
Riesiges Haus
Noch dauern wird auf jeden Fall die Untersuchung des Hauses in Strasshof, das Natascha Kampusch nach bisherigen Zeugenaussagen offenbar erst im Frühjahr dieses Jahres, acht Jahre nach ihrer Entführung, fallweise verlassen durfte.
"Das Haus ist riesig mit vielen Zimmern, und es ist vollständig unterkellert. Es wird drei Tage dauern, bis die Spurensicherung abgeschlossen ist", so Erich Zwettler vom Bundeskriminalamt (BK). Offenbar habe Natascha tatsächlich die meiste Zeit in dem Verlies verbracht.
Tatort wird weiter untersucht
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Es gehe darum zu eruieren, wie Natascha Kampusch diese acht Jahre in Gefangenschaft verbrachte. Sicherungsmaßnahmen seien - nach den ersten Untersuchungen der Sprengstoffspezialisten - nicht mehr notwendig.
Immer mehr Details über Peiniger
Wie prekär Kampuschs Verhältnis zum mutmaßlichen Entführer gewesen sein muss, wird alleine dadurch belegt, dass sie ihn "Gebieter" nennen musste. Über Wolfgang Priklopil (44), ihren Peiniger, werden immer mehr Details bekannt.
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"Kontaktscheu" sei er gewesen und ein "Technikfreak", bekamen die Ermittler zu hören, sagte Zwettler. In seiner Nachbarschaft war er aber offenbar als "Sonderling" aufgefallen - mehr dazu in noe.ORF.at.
"Ziemlich gefasst"
Die 18-Jährige habe "ziemlich gefasst" auf die Todesnachricht reagiert, berichtete Zwettler. "Sie hat offenbar irgendwie damit gerechnet. Er hatte ihr gesagt: 'Lebend erwischen die mich nie.'"
Kleiner Bekanntenkreis
Offenbar habe der Mann nur zwei Freundschaften gepflegt - zu jenem Bekannten, den er am Mittwoch nach seiner Flucht aus Strasshof (Bezirk Gänserndorf) um Hilfe gebeten hatte, und einem zweiten, mit dem er in Wien eine Firma betrieben haben soll, die sich mit dem Vermieten von Immobilien beschäftigte.
Einer der beiden Bekannten habe Natascha Kampusch in der Zeit ihrer langen Gefangenschaft ein Mal kurz gesehen. Beide Männer reagierten höchst überrascht, als sie vom Doppelleben Priklopils erfuhren.
Einzige Kontaktperson
Am Mittwochabend beging der 44-Jährige Selbstmord, indem er sich vor einen Schnellbahnzug warf. Natascha Kampusch wurde noch in der Nacht vom Tod des Mannes in Kenntnis gesetzt. "Er war jahrelang ihre einzige Bezugsperson", sagte Zwettler.
Eine emotionale Bindung an den mutmaßlichen Entführer - Stichwort Stockholm-Syndrom - könne in solchen Extremsituationen "nach meinem Wissensstand schon nach drei, vier, fünf Tagen" auftreten. "Man kann davon ausgehen, dass das in diesem Fall zutrifft."
Mutmaßlicher Entführer wurde unvorsichtig
Jahrelang durfte das Mädchen sein verliesartiges Versteck vermutlich gar nicht verlassen. Die geringere Vorsicht ihres Peinigers in den letzten Monaten ließ die 18-Jährige nicht ungenützt. Sie konnte in einem günstigen Augenblick fliehen.
Warum er zuletzt unvorsichtiger geworden war, darüber könne nur spekuliert werden, so Zwettler: "Vielleicht ist ihre Emotionalisierung so weit fortgeschritten, dass sie irgendwann versucht hat, ein 'normaleres' Leben zu führen. Vielleicht hat es ihn nicht mehr so interessiert. Vielleicht war es auch etwas ganz anderes."
Ausgeprägter Wortschatz
Brenner, der die junge Frau am Mittwoch am Posten Deutsch-Wagram - nach einer ersten ärztlichen Versorgung - befragt hatte, betonte, wie erstaunlich gut sich Natascha artikulieren konnte. Sie verfüge auch über einen ausgeprägten Wortschatz.
Offenbar erster Fluchtversuch
Priklopil habe sich von seinem Opfer zumindest in den ersten Jahren mit "Gebieter" ansprechen lassen, sagte der Kriminalist.
Von früheren Fluchtversuchen habe das Mädchen nicht berichtet. Am Mittwoch ergab sich die unerwartete Chance, in einen anderen Garten zu fliehen.
Entführung sorgfältig geplant
Die Ermittler hätten den Eindruck, dass das Verlies, in das der Mann das Mädchen gesperrt hatte, wenn er das Haus verließ, vor der Entführung sorgfältig geplant worden sei. Wann genau, war zunächst nicht bekannt.
Niemand bekam etwas mit
Die Befragungen der Nachbarn sind im Gange. Dass die Anrainer und auch der direkt daneben wohnende Verwandte (dem Vernehmen nach ein Onkel) nichts von den Umständen mitbekamen, erklärt Brenner so: Es sei traurig, dass auch "am Land" mittlerweile das urbane Phänomen gelte, dass man einander nicht kennt. Der mutmaßliche Täter sei in jüngster Zeit keiner geregelten Arbeit nachgegangen.
"Sie ist sehr ruhig"
Zur emotionalen Verfassung des Entführungsopfers sagte Zwettler: "Sie ist sehr ruhig. Für uns steht im Vordergrund, sie psychisch zu stabilisieren und ihr Sicherheit und Vertrauen zu vermitteln."
Bei den umfangreichen Befragungen, die der 18-Jährigen noch bevorstehen, bestehe überhaupt kein Zeitdruck mehr: "Es dauert so lange, wie es dauert." Das Vorgehen der Polizei gründe sich dabei auf einen mit psychologischen Sachverständigen entwickelten Plan.
Verhinderte Flucht ein Gewaltverbrechen?
Der Weg zurück in die "reale Welt" werde für sie sehr schwer werden. Das prognostizierte der Kinderpsychiater Max Friedrich. Er schloss nicht aus, dass durch die Flucht ein Gewaltverbrechen verhindert wurde - mehr dazu in wien.ORF.at.
Motiv unklar
Die Beweggründe von Priklopil, das zehnjährige Mädchen am 2. März 1998 in seinen Kastenwagen zu zerren, liegen laut Zwettler im Dunkeln. Zwar gebe es eine räumliche Nahebeziehung zwischen Priklopils ehemaligem Wohnort in der Rugierstraße und Nataschas elterlicher Wohnung in einem Gemeindebau am Rennbahnweg, beide in der Donaustadt.
"Es könnte aber genauso gut ein spontaner Entschluss von ihm gewesen sein." Der weiße Mercedes-Kastenwagen befand sich bis zuletzt im Besitz des 44-Jährigen und wird jetzt kriminaltechnisch untersucht.
Ex-Ermittler: "Man hat mit ihm gesprochen"
Die Polizei hatte 1998 die Information von einer Mitschülerin, dass zwei Männer Natascha in einen weißen Bus gezerrt hätten. Außerdem hatte ein Ehepaar ausgesagt, dass ein Kastenwagen Richtung Gänserndorf abgebogen sei.
Die Zulassungsbesitzer der passenden Fahrzeuge wurden alle überprüft - also auch der Täter, wie auch der damalige Chefermittler Max Edelbacher nun bestätigt: "Ich weiß, dass man zu dem Mann hingefahren ist, dass man mit ihm gesprochen hat" - mehr dazu in wien.ORF.at.
Gab es Komplizen?
Auf die Frage, ob Priklopil Komplizen hatte, sagte Generalmajor Nikolaus Koch, der die Ermittlungen leitet, am Donnerstag: "Man kann es weder aus- noch einschließen." Fest stehe jedoch, dass keine Beziehung zu der Familie von Natascha Kampusch bestand.
Freude und Sorge am Rennbahnweg
Die Sensationsmeldung, dass Natascha lebt, hat sich auch in der Siedlung Rennbahnweg in Wien-Donaustadt herumgesprochen, dort, wo Natascha aufgewachsen ist - mehr dazu in wien.ORF.at.
Moderiertes Forum zum Fall Kampusch
Entsetzen, Fassungslosigkeit und Freude - selten sind so unterschiedliche Gefühle so nah beieinander gelegen wie im Fall von Natascha Kampusch. Hier können Sie sagen, was Sie denken - mehr dazu in wien.ORF.at.
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