Bis zu 15.000 libanesische Soldaten sollen zusammen mit UNO-Truppen Angriffe der seit Jahren im Südlibanon operierenden radikalislamischen Hisbollah auf Israel unterbinden. "Das ist die Phase eins", hieß es am Mittwochabend in Beirut aus Armeekreisen zur Truppenverlegung.
Litani-Fluss überquert
Die regulären libanesischen Truppenverbände trafen in der Früh in der Hafenstadt Tyrus ein und rückten an verschiedenen Stellen über den Litani-Fluss vor, der rund 20 Kilometer nördlich der israelischen Grenze verläuft.
Die durch israelische Bombardements zerstörte Kasmija-Brücke sieben Kilometer nördlich von Tyrus wurde durch eine Pontonbrücke ersetzt, über die erste libanesische Einheiten in den Süden zogen. An einem Wachhäuschen an der Südseite der Brücke wurden libanesische Flaggen gehisst.
Auch über See seien Soldaten nach Tyrus gebracht worden. Die gesamte Operation soll mindestens drei bis vier Tage dauern, sagte ein Armeesprecher. Mit der Stationierung der Truppen im Südlibanon übernimmt der Libanon erstmals seit 38 Jahren wieder die Kontrolle über das Gebiet südlich des Litani-Flusses - mehr dazu in iptv.ORF.at.
Israel zieht schrittweise ab
Zuvor hatten die israelischen Streitkräfte nach eigenen Angaben ihren Rückzug aus dem Südlibanon eingeleitet.
Seit Mittwochabend wurde der UNO-Truppe UNIFIL israelischen Militärangaben zufolge die Hälfte der im Südlibanon besetzten Gebiete überlassen.
Mittlerweile seien an mehreren Stellen bis zu zwei Drittel der Gebiete zwischen der Grenze und dem Fluss Litani an die UNIFIL-Truppen übergeben worden.
Auch das libanesische Gebiet nördlich der israelischen Grenzstadt Metula werde von den UNO-Truppen bereits kontrolliert. Bis Freitag sollten zudem alle im Libanon eingesetzten israelischen Reservisten das Land verlassen.
Auf die Frage einer Fortsetzung des israelischen Rückzugs sagte der Sprecher, es handle sich um einen "Prozess, der in Etappen verläuft". Der gesamte Abzug werde mehrere Tage dauern, "aber alles hängt von der Fähigkeit der UNIFIL und der libanesischen Armee ab, die Kontrolle über den gesamten Süden des Libanon zu übernehmen".
Drohung an Hisbollah
Der Rückzug werde in Phasen ablaufen und orientiere sich an der Stärke der UNIFIL-Truppe und der Fähigkeit der libanesischen Streitkräfte, die Gebiete zu kontrollieren, hieß es.
Generalstabschef Dan Haluz hatte zuvor erklärt, der Rückzug der israelischen Truppen aus dem Südlibanon werde voraussichtlich Ende nächster Woche beendet sein.
Israel schloss aber auch eine Fortsetzung des Krieges nicht aus, sollte sich die Hisbollah im Südlibanon nicht entwaffnen lassen.
Kein "Staat im Staat"
Der libanesische Regierungschef Fuad Siniora kündigte an, dass es außer der Armee keine weitere bewaffnete Präsenz mehr im Land geben werde. Keine Region werde für die libanesischen Regierungstruppen "unzugänglich" sein, sagte Siniora zudem am Mittwochabend, nachdem das Kabinett der Armee den Marschbefehl an die Grenze zu Israel erteilt hatte.
Auch werde es "die Mentalität vom Staat im Staat" nicht mehr geben, sondern nur noch "einen einzigen Staat mit einer einzigen Entscheidungsmacht".
Annan entsendet Unterhändler
Unterdessen kündigte UNO-Generalsekretär Kofi Annan die Entsendung von zwei hochrangigen Unterhändlern nach Israel und in den Libanon an.
Vijay Nambiar und Terje Roed-Larsen sollen sich im Gespräch mit Regierungsvertretern ein Bild von der Umsetzung des Friedensplans machen.
Vier EU-Staaten wollen Soldaten schicken
Neben den libanesischen Soldaten sieht die UNO-Resolution auch die Aufstockung der UNIFIL von derzeit etwa 2.000 auf dann 15.000 UNO-Soldaten vor.
Der israelische Vizeregierungschef Schimon Peres rechnet damit, dass binnen zwei Wochen die libanesischen Soldaten in der Region Stellung bezogen haben werden und auch ein Großteil der UNO-Truppe stationiert sein wird.
Für die erweiterte UNO-Friedenstruppe haben nach Presseinformationen bereits vier EU-Staaten konkrete Angebote vorgelegt. Die Zeitung "Die Welt" berichtet unter Berufung auf hochrangige Brüsseler Diplomatenkreise, entsprechende Offerte seien am Mittwoch besprochen worden.
Demnach ist Frankreich bereit, zwischen 2.000 und 3.000 Soldaten für die Friedenstruppe zur Verfügung zu stellen. Während einer Sitzung des Politischen Sicherheitskomitees haben zudem Italien 1.200, Spanien 1.000 und Finnland bis zu 150 Soldaten zugesagt, wie die Zeitung weiter meldet.
Plassnik: Keine Soldaten aus Österreich
Weitere sieben EU-Staaten sind demnach grundsätzlich bereit, Blauhelmsoldaten zu entsenden. Sie haben während der Sitzung jedoch keine konkreten Zahlen genannt.
Österreich wird sich nicht an der geplanten UNO-Militärmission beteiligen. "Wir schicken keine Truppen in den Südlibanon", so Außenministerin Ursula Plassnik (ÖVP).
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