"Bei den Toten Hosen ist es härter"

Campinos Feuertaufe gelungen, Brandauer fällt durch.
Die mit großem PR-Aufwand vorbereitete Aufführung von Bertolt Brechts "Dreigroschenoper" ist am Freitagabend im Berliner Admiralspalast beim Publikum durchgefallen, nur die Schauspielern ernteten Applaus.

Regie führt Klaus Maria Brandauer, sein Star in der Rolle des Mackie Messer ist der Sänger der ehemaligen Punkband Die Toten Hosen, Campino.

Zwiespältige Reaktionen
Im Vorfeld hatte Campino, mit bürgerlichem Namen Andreas Frege, gegenüber der "Zeit" seiner Nervosität Ausdruck verliehen: "Ich steh' zusammen mit Herrn Brandauer in der Schusslinie. Wenn's gut läuft, klopft man uns am meisten auf die Schulter - wenn's schlecht läuft, kriegen wir den meisten Ärger."

Er behielt nur teilweise Recht: Brandauer kriegte den Ärger, Campino wurde auf die Schulter geklopft. Er erntete Applaus und sogar einige Bravorufe, wie Volker Obermayr aus Berlin berichtet - mehr dazu in oe1.ORF.at.

Der Schlussapplaus war insgesamt groß für die Leistungen der Schauspieler. Besonders bejubelt wurde Katrin Sass (Mrs. Peachum), aber auch bei Birgit Minichmayr (Polly), Jenny Deimling (Lucy), Maria Happel (Spelunkenjenny) und Gottfried John (Mr. Peachum) sowie dem Deutschen Filmorchester Babelsberg wurde Bravo gerufen.

Brandauers geduldiges Warten
Die Stimmung kippte jedoch schlagartig, als sich Brandauer verbeugte. Er wurde mit lauten Buhrufen bedacht. Er nahm es locker und kam dennoch wiederholt auf die Bühne, animierte das Publikum gar zu noch wilderen Buhrufen.

Erst als er zum dritten Mal an die Rampe trat und die Finger ans Ohr legte, verstummte das kritische Publikum und auch er durfte schließlich noch Applaus nach Hause nehmen.

"Tote Hose im Admiralspalast"
Mit Kritik hat sich das Premierenpublikum dennoch nicht zurückgehalten. In ersten Stellungnahmen für das Ö1-Morgenjournal wurde etwa bemängelt, dass Brechts Humor verloren gegangen war, dass Brecht lauter sein müsste und dass die Aufführung schlicht langweilig gewesen war.

Die als glanzvolle Wiedereröffnung des Admiralspalastes geplante Inszenierung enpuppte sich als brave Promi-Possi war zudem in der Onlineausgabe des "Spiegels" zu lesen. Im Berliner Traditionshaus herrschte "Tote Hose", so das Nachrichtenmagazin.

Campino erleichtert, Brandauer schweigt
Brandauer wollte zur Kritik unmittelbar nach der Premiere gegenüber Ö1 nicht Stellung nehmen, er forderte lediglich auf, bei der Premierenparty mitzufeiern.

Die Schauspieler waren gesprächiger. Campino war froh, dass die Premiere auf dem für ihn fremden Terrain geschafft ist, aber: "Wenn ich mit den 'Toten Hosen' spiele, ist es härter".

Trotz seiner umjubelten Darstellung hat der 44-Jährige nicht vor, eine zweite Karriere als Schauspieler zu starten - mehr dazu in oe3.ORF.at.

Mrs. Peachum gibt sich streng
Birgit Minichmayr nahm die Kritik gelassen: "Das beschädigt mich nicht, und auch nicht meine Liebe zu dieser Produktion", sagte sie gegenüber dem Ö1-Morgenjournal.

Die umjubelte Katrin Sass hingegen sah ihre bereits früher geäußerte Skepsis gegenüber der Regie von Klaus Maria Brandauer bestätigt: "Sein Konzept ist, keine Konzeption zu haben, das hat er ja öffentlich gesagt."

So könne man zwar auch arbeiten, gesteht Saß zu, macht aber keinen Hehl daraus, dass ihr ein konzeptiver Zugang zum Stück lieber gewesen wäre.

"Getragen und erdschwer"
In ersten Reaktionen zeigen sich auch die Kritiker von Brandauers Inszenierung wenig begeistert. Stefan Mayr von der Nachrichtenagentur APA schreibt etwa: "Getragen und erdschwer schleppt sich das Stück von Szene zu Szene." Zu konservativ angelegt worden sei das Stück.

Brandauers Verständnis von Theater
Im Interview mit der "Welt" hatte Brandauer vor der Premiere Stellung zum Vorwurf erhoben, er inszeniere zu linear, zu nah am Text:

"Für mich ist Theater in erster Linie Sprechtanz. (...) Im Zentrum steht der Virtuose, ein großer Atem, ein großer Zuschnitt, große Textbehandlung, alles ausgerichtet auf den Inhalt. Das ist das, was ich mit Vergnügen gelernt habe. (...) Event kann sein, was sich aus dem Text ergibt. Wenn man das als konservativ bezeichnet, dann kränkt es mich nicht."

Bangen bis zur Premiere
Dass die Aufführung zu dem Event der Berliner Saison wurde, dafür sorgte zuletzt auch das öffentliche Bangen um die Renovierung des Admiralspalast nach jahrelangem Leerstand.

Erst am Tag vor der Premiere gab ihn die Baubehörde frei. Und auch bei der ersten Aufführung fehlten da und dort noch Bodenbeläge, wähnte man die Wände noch feucht.

Viel Prominenz am roten Teppich
Der umfangreichen Vorberichterstattung der Medien entsprechend war die Premiere prominent besucht. Ein roter Teppich lag aus, Publikum lauerte entlang der Straße auf bekannte Gesichter, es war eine Hauptstadt-bekannte Atmosphäre, die an die Berlinale erinnerte.

Unter den 1.700 Besuchern, man hätte meinen können zur Hälfte Prominenz, zur Hälfte Journalisten, zeigten sich unter anderen der Schriftsteller Rolf Hochhuth, die Schauspieler Peter Lohmeyer und Martina Gedeck, Regisseur Oskar Roehler sowie Gregor Gysi und Erhard Busek.

Link: