Songs aus dem Gangster-Alltag

"Narco Corridos" sind eines der beliebtesten Musikgenres in Mexiko.
In Robert Rodriguez' Actionfilm-Trilogie rund um "El Mariachi" legt sich ein mysteriöser Wanderbarde mit mexikanischen Drogenkartellen an - doch auch abseits der Leinwand sind Verbindungen zwischen Musikszene und organisierter Kriminalität in Mexiko Alltag.

Den mexikanischen Behörden sind die populären "Narco Corridos", Drogenschmuggler-Lieder im Folkloregewand und quasi das spanischsprachige Gegenstück zum Gangsta-Rap, schon längst ein Dorn im Auge.

Pancho Villa hat ausgedient
Corridos - Balladen - haben in Mexiko seit über Hundert Jahren Tradition. In den frühesten der an Polkas und Walzer angelehnten und oft von Blasmusikbands gespielten Liedern ging es um Revolutionäre wie Pancho Villa und Emiliano Zapata. Die Helden von heute sehen anders aus.

Seit den 70ern zählt der Arbeitsalltag von Drogenhändlern zu den Lieblingsthemen der Corrido-Bands. Die modernen "Schmugglerballaden" sind in Mexiko inzwischen so populär, dass das Genre einen eigenen Namen hat: "Narco Corridos".

Nonnen mit verbotener Fracht
Die Stars der Szene heißen Los Tigres del Norte (Die Tiger des Nordens) und Los Tucanes de Tijuana (Die Tukane von Tijuana - Tukan ist ein mittel- und südamerikanischer Vogel), Newcomer wie Jessie Morales sind in der spanischsprachigen Gangszene der US-Großstädte ebenso beliebt wie Hardcore-Rapper.

In den Songs geht es um Fehden unter den Kartellen, Schießereien mit Drogenfahndern und um spektakuläre Schmuggelaktionen. "Zwei sehr freche Mädchen hatten reines Kokain und Marihuana. Sie verkleideten sich als Nonnen und lieferten es nach Tijuana", heißt es etwa in einem Text der Band Exterminador.

Begehrte Lieder
"Das Erste, was ein Drogenschmuggler nach einem gelungenen Schmuggel macht, ist, jemanden anzustellen, der ein Corrido darüber schreibt", erklärt der US-Musiker und Autor Elijah Wald, der ein Buch über das Thema verfasst hat, gegenüber BBC News.

Für die Corrido-Sänger sind diese Aufträge ein guter Nebenverdienst. Die Drogenhändler zahlen oft Zehntausende Pesos (mehrere Tausend Euro) dafür, dass ihre Geschichte in einen Song verpackt und auch tatsächlich aufgeführt wird.

Land Rover als Honorar
Offen geredet werde über solche Deals in der Musikerszene aber nicht, so Wald: "Ich habe einen der bekanntesten, Reynaldo Martinez, gefragt, ob er Corridos auf Auftragsbasis schreibe. Er sagte: 'Nein, aber manchmal schenkt mir jemand, der einen meiner Songs mag, einen Land Rover.'"

Auch Tauschgeschäfte seien üblich: "Ich habe mit einem Corrido-Autor gesprochen, der in die USA geschmuggelt werden wollte. Normalerweise hätte der Schmuggler 1.500 US-Dollar dafür verlangt - aber unter der Bedingung, dass der Komponist dann einen Song darüber schrieb, machte er es gratis."

Schlecht für die Jugend
"Narco Corridos" verkaufen sich mittlerweile im gesamten lateinamerikanischen Raum bestens - doch in Mexiko taucht immer wieder der Vorwurf auf, die Texte seien gewalt- und kriminalitätsverherrlichend und ganz und gar kein gutes Beispiel für die mexikanische Jugend.

Auch der US-Rundfunkregulator FCC (Federal Communications Commission) sei schon gegen spanischsprachige Radiostationen vorgegangen, die Schmuggel-Songs im Programm haben, berichtet die BBC.

Maulkorb für Sozialkritik?
Plattenlabel wie das aus Los Angeles operierende Fonovisa Records, auf dem die Szenestars Los Tigres del Norte erscheinen, wehren sich gegen die Vorwürfe. "Sie verherrlichen das Leben der Drogendealer nicht, sie erzählen einfach nur eine Geschichte. Sie machen keine Werbung dafür", so Fonovisa-Sprecherin Mariluz Gonzalez.

Los Tigres hätten sich mit sozialkritischen Texten einen Namen gemacht. Der mexikanischen Regierung gehe es gar nicht so sehr um die Drogen-Songs, sondern einfach darum, kritische Stimmen aus dem Äther zu verbannen, spekuliert Gonzalez.

Verkäufe gestiegen
Die Folgen eines Verbots sind ohnehin umstritten: In mexikanischen Bundesstaaten, in denen Radiostationen keine "Narco Corridos" mehr auf ihren Playlists haben dürfen, berichten Musikhändler von massiv gestiegenen Plattenverkäufen.

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