Großes Arsenal dank Iran

Nicht mehr nur auf archaische Katjuschas angewiesen.
Die Hisbollah hat Israel überrascht - sowohl mit der Heftigkeit ihrer Angriffe als auch mit der Qualität ihrer Raketen. Die Geschoße fliegen weiter als je zuvor, und inzwischen feuern die Islamisten gar Marschflugkörper ab. Was die radikale Schiiten-Miliz noch in ihrem Arsenal hat, darüber gibt "Spiegel Online" einen Überblick.

Jahrzehntelang nur "Stalinorgeln"
Jahrzehntelang hatte die Hisbollah archaische Geschosse gegen Israel eingesetzt: Katjuscha-Raketen, wie sie die Rote Armee schon im Zweiten Weltkrieg abgefeuert hat.

Von einem einzigen Lkw aus stiegen bis zu 48 Raketen in schneller Folge in den Himmel, untermalt von infernalischem Heulen. Die Deutschen, die 1941 erstmals den Raketenregen zu spüren bekamen, nannten die Waffe "Stalinorgel".

122-Millimeter-Kaliber
Als Katjuscha, der russischen Koseform von Katharina, werden seither zahlreiche ungelenkte Boden-Boden-Raketen kleinen Kalibers bezeichnet - auch wenn sie mit der Urversion nur wenig gemein haben.

Als am weitesten verbreitete Version gilt die Rakete des Kalibers 122 Millimeter mit etwa 20 Kilometern Reichweite - eben jenes Geschoss, das bisher als Katjuscha der Hisbollah bekannt war.

Keine Abwehr möglich
Doch diese Zahlen stimmen nicht mehr, so viel ist in den vergangenen Tagen deutlich geworden. Inzwischen besitzt die Hisbollah Raketen, die deutlich tiefer in israelisches Gebiet eindringen können - und gegen die es kaum Abwehrmöglichkeiten gibt.

Darunter sind etwa iranische Raketen der Typen Fadschr-3 (Morgendämmerung) und Fadschr-5 mit Reichweiten von jeweils 45 Kilometern und Gefechtsköpfen mit 100 bis 200 Kilogramm Sprengstoff.

Hunderte weit reichende Raketen
Haifa, das nur etwa 30 Kilometer von der israelisch-libanesischen Grenze entfernt liegt, wurde von der Hisbollah offenbar mit Raketen des Typs Raad-2 (Donner) und Raad-3 beschossen. Sie stammen aus iranischer Produktion und sollen Reichweiten von 150 bis 350 Kilometer haben. Diese Waffen können sogar die bisher verschont gebliebenen Metropolen Tel Aviv und Jerusalem erreichen.

Auch syrische 220-Millimeter-Raketen, die Ziele in 100 bis 200 Kilometer Entfernung bedrohen, sollen sich im Arsenal der Islamisten befinden.

Unterschiedlichen Schätzungen zufolge soll die Hisbollah neben rund 12.000 Katjuschas mehrere Hundert weiter reichende Raketen besitzen.

Iranische Feststoffraketen
Einem Bericht der israelischen Zeitung "Haaretz" zufolge hat der Iran die Hisbollah auch mit Feststoffraketen des Typs Selsal-2 ("Erdbeben") ausgerüstet.

Sie haben zwar wie die Katjuschas kein eigenes Leitsystem, sollen aber eine Reichweite von 200 Kilometern besitzen und Gefechtsköpfe von bis zu 600 Kilogramm tragen können. Damit könnte die Selsal-2 auch in der Lage sein, biologische Waffen ans Ziel zu bringen.

Attacke auf Marineschiff
Und damit waren die bösen Überraschungen aus dem Libanon noch nicht zu Ende. Vor zwei Wochen schlug ein Marschflugkörper des iranischen Typs C-802 in eine israelische Korvette der Saar-5-Klasse ein und beschädigte das Schiff schwer. Selbst das israelische Militär musste einräumen, auf einen solchen Angriff nicht vorbereitet gewesen zu sein.

Die C-802 ist eine der gefährlichsten Anti-Schiff-Waffen überhaupt. Die ursprünglich chinesische Entwicklung namens Ying-Ji-802 wird bei der NATO unter der Bezeichnung Saccade geführt, fliegt knapp unter Schallgeschwindigkeit und trägt einen 165-Kilo-Sprengkopf.

Nach Informationen der Federation of American Scientists haben selbst moderne Schiffe nur wenige Abwehrmöglichkeiten gegen die C-802.

US-Abwehrsystem chancenlos
Israel hat nur wenige Möglichkeiten, sich gegen den Beschuss aus dem Libanon zu verteidigen. Gegen weit reichende Raketen bietet das amerikanische Patriot-Raketenabwehrsystem zwar Schutz, gegen kleinere Geschoße ist es aber wirkungslos.

Die Katjuschas sind zu klein, fliegen zu niedrig und sind nicht lange genug in der Luft. Eine Patriot gegen eine Katjuscha einzusetzen, käme in etwa dem Versuch gleich, eine Mücke mit einem Vorschlaghammer zu erwischen.

Hisbollah versteckt sich in Siedlungen
Die bisher einzige Gegenmaßnahme gegen Katjuscha- und Raad-Raketen ist die Zerstörung der Abschussrampen durch die israelische Luftwaffe.

Allerdings postiert die Hisbollah die Vorrichtungen gern in dicht besiedelten Gebieten - weshalb die Israelis bei Luftangriffen auf die Raketenstellungen den Tod von Zivilisten in Kauf nehmen müssen.

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