Macht verändert den Menschen, egal, mit welchen Zielen er sie erlangt, lautet Chabrols eigentlich simple These.
Die Welt der Macht
Die Vorzüge der Macht genießt zu Beginn von "Geheime Staatsaffären" Konzernchef Michel Humeau in einer Welt voller klingelnder Handys, gestylter Sekretärinnen und luxuriöser Firmengeschenke - eine offensichtliche Anspielung auf die Schmiergeldaffäre rund um den Elf-Konzern, der Frankreich jahrelang in Atem hielt.
Nach knappen drei Filmminuten ist Humeau allerdings schon wegen Korruption und persönlicher Bereicherung in Haft, ins Visier genommen von der Ermittlungsrichterin Jeanne Charmant-Killmann, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die unseligen Verflechtungen zwischen Politik und Wirtschaft zu entwirren.
Hinter Gittern
Provisionen, Rückvergütungen und sonstige gängige Praktiken listet sie akribisch auf, bis sie Humeau festgenagelt, verhört und ins Gefängnis verfrachtet hat.
Gelobt von der Presse und respektiert von ihren "Gegnern" aus den Führungsetagen von Staat und Großbetrieben gerät auch Jeanne bald in einen gewissen "Rausch der Macht" ("L'ivresse du pouvoir", so der französische Originaltitel).
Gerecht und besessen
Weltstar Isabelle Huppert spielt die knallharte und doch verletzbare Richterin so wenig eindeutig, dass der Zuschauer den ganzen Film lang überlegen muss, ob er sie eigentlich mag.
Am Anfang ist sie einem schon ganz sympathisch mit ihrem Wahrheitsdrang und Gerechtigkeitssinn. Doch allmählich wirkt sie beinahe schon besessen von ihrer Mission.
Auch privat unter Druck
Chabrol geht es aber um mehr als das Aufdecken politisch-wirtschaftlicher Verflechtungen, nämlich - wie stets - um die Enthüllung der Abgründe bürgerlichen Lebens.
Für Jeanne ist die Familie kein Rückzugsort, sondern ein weiterer Hort der Spannung. Während sie das Netzwerk weiter aufrollt, gerät sie privat immer mehr unter Druck, denn ihr Mann Philippe kommt weder mit ihrer neuen Rolle noch mit ihren neuen Leibwächtern zurecht.
"Macht lächerlich machen"
Als Polit-Thriller sei "Geheime Staatsaffären" einfach zu harmlos, meinten viele Kritiker, als der Film im März erstmals bei der Berlinale gezeigt wurde.
Doch das geht vielleicht an Chabrols Absichten vorbei, der der Netzeitung sagte: "Mir gefällt besonders, dass ich mit diesem Film die Macht lächerlich machen kann. Das liegt mir doch sehr am Herzen."
Lächeln statt Zähnefletschen
Auch die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" stellte fest: "Während man in 'L'ivresse du pouvoir' sitzt, merkt man, wie man durch amerikanische Erzählweisen konditioniert ist und wie pfiffig sich Chabrol denen immer wieder entzieht, indem er sich nie auf das einlässt, was das Genre von ihm erwartet." Mit einem feinen Lächeln komme er weiter "als die meisten Regisseure mit Zähnefletschen".
Links: