"Wissen wenig"
"Wir wissen im Grunde enorm wenig über Rembrandt", meint etwa der deutsche Kunsthistoriker Marcus Dekiert. Oft sei versucht worden, Rembrandts Werk über die Person seines Schöpfers zu erklären - ein Irrweg, wie Dekiert findet.
Der abgehobene Künstler, als der er oft gelte, sei der Sohn eines Leidener Müllers sicher nicht gewesen: "Malerei war im Wesentlichen ein Handwerk, ein Lehrberuf wie jeder andere auch."
Selbstporträts verkauften sich
Auch dass der für seine Vielzahl an Selbstporträts berühmte Rembrandt einen Hang zum Narzissmus gehabt habe, sieht Dekiert als Mythos: "Die Selbstporträts waren kein psychologisierender Blick in den Spiegel, sie waren für den Markt gemalt."
Rembrandt-Porträts seien schon zu Lebzeiten des Künstlers ein viel nachgefragter Artikel gewesen - Folge des "Star-Status", den der Maler in der Amsterdamer Gesellschaft zeitweise genoss.
Private Rückschläge
Privat erlitt Rembrandt etliche Rückschläge. Drei Kinder starben, bevor sein Sohn Titus geboren wurde, und kurz nach dessen Geburt starb Rembrandts geliebte erste Frau Saskia.
Später gab es eine heftige, auch gerichtliche Auseinandersetzung mit dem Kindermädchen Geertje Dirckx rund um ein angebliches Eheversprechen. Die Details dieser Affäre sind bis heute nicht klar und Gegenstand zahlreicher Legenden.
Mit Dirckx' Nachfolgerin Hendrickje Stoffels führte er eine Ehe ohne Trauschein. Sie und Sohn Titus halfen Rembrandt über die Runden, als er sein Hab und Gut verlor. "Er war sicher nicht reich, als er starb", schätzt Aernout Hagen vom Rembrandthaus in Amsterdam.
Teure Sammelwut
Rembrandt sammelte nicht nur Kunstwerke, für die er manchmal sehr viel Geld ausgab. Muscheln, Korallen, Speere, getrocknete Tiere - "wenn er etwas sah, musste er es haben, notfalls auf Abzahlung", so Hagen.
So konnte Rembrandt Exotisches studieren und wohl auch ein wenig mit Wohlstand protzen. Das ging nicht ewig gut: Sein für 13.000 Gulden gekauftes Haus konnte der berühmte Maler nicht abbezahlen. Seine ganze Habe wurde verpfändet, das Genie für bankrott erklärt.
Immer weniger Rembrandts
Mit zum Mythos Rembrandt trägt natürlich der "Dauer-Krimi" um sein Werk bei. Die Zahl der Bilder, die eindeutig dem Niederländer zugeschrieben werden, schrumpft seit Jahren. Weltweit sind es heute etwa 250. Vor 100 Jahren sollen es noch 1.000 gewesen seien, heißt es oft - eine Zahl, die Kunsthistoriker aber anzweifeln.
Bei der Bilderanalyse helfen die immer weiter entwickelten Forschungsmethoden mit aufwendigen Röntgenaufnahmen, Infrarotuntersuchungen und die so genannte Dendrochronologie, die Wissenschaft vom Alter und der Herkunft des Holzes.
Schüler malten im Stil des Meisters
Viele vermeintliche Selbstbildnisse aus Rembrandts Werkstatt gelten heute als nicht authentisch. Sie tragen seine Signatur, weil sie schon damals mit diesem "Warenzeichen" besser zu verkaufen waren.
Dazu kommt, dass eine Reihe von hochkarätigen Rembrandt-Schülern wie etwa Adrian van Ostade (1610-1685) im Rembrandt-Stil zu malen begannen und sich später weiterentwickelten.
Meisterwerk um 20 Pfund gekauft
Umgekehrt traute man dem Meister manches Genrebild nicht zu, sah man in Rembrandt doch lange Zeit nur den Historien- und Porträtmaler. So entdeckte man erst vor wenigen Jahren in Dublin nach einer gründlichen Restaurierung das so genannte "Schinkenklopfen"-Bild über ein im 17. Jahrhundert beliebtes Gesellschaftsspiel.
Es ist zwar mit "Rembrandt" signiert, dennoch wurde die Echtheit lange Zeit bezweifelt, weil der holländische Maler normalerweise keine Genreszenen aus dem Alltagsleben in Öl malte. Das irische Museum hatte das Bild 1896 für 20 Pfund erworben. Jetzt wurde es als "echter Rembrandt" eingestuft und ist unschätzbar wertvoll.
Fehde unter Experten
Rund um solche Zuordnungsdebatten haben sich in den letzten Jahrzehnten regelrechte Fehden unter Kunsthistorikern entwickelt. Auf der einen Seite steht das niederländische Rembrandt Research Project, das handfeste, nachvollziehbare Kriterien zur Authentifizierung festlegen will.
Auf der anderen Seite meinen viele Kunsthistoriker - etwa der in den Niederlanden lebende Amerikaner Gary Schwartz -, dass es nie eine absolute Objektivität bei den Werksbestimmungen geben kann.
Im Rausch des Bildes
Das zeigt der Fall des farbenprächtigen "Manns mit dem Goldhelm" in der Berliner Gemäldegalerie, der bis vor 20 Jahren als echter Rembrandt bestaunt wurde. Man schreibt es jetzt dem "Umkreis" Rembrandts zu, ohne den Maler bisher identifiziert zu haben.
Für Galerie-Direktor Bernd Lindemann ist das berühmte Bild auch ein Paradebeispiel für den Wahrnehmungswandel im Laufe der Zeiten. "Die Dinge werden in bestimmten Zeiten eben so wahrgenommen, wie man sie sehen will. Das mystische Leuchten des Goldes auf dem Helm und die zahlreichen Legenden um das Bild machten die Leute besoffen."
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