Alles eine Frage des Werts

Darf Damien Hirst einfach seinen verrottenden Hai austauschen?
Wer Kunst sammelt, zumal wenn es sich dabei um Konzeptkunst handelt, der kann ein Lied singen von der Haltbarkeit der oft gefeierten Artefakte. Was tun etwa mit dem gebutterten Beuys-Filz? Nicht selten ist ja der Verfall einer Arbeit Teil des artistischen Konzepts.

Doch nicht immer ist das gewollt, wie im Fall des berühmten Tigerhais aus dem Studio des britischen Kunststars Damien Hirst, der lange Zeit im Besitz des Kunstsammlers Charles Saatchi war.

Das über sechs Meter lange Kunstwerk, in dessen Zentrum ein in Formaldehyd getauchter Tigerhai steht, ist das wahrscheinlich berühmteste Objekt des britischen Kunst-Shooting-Stars. 1991 hat Hirst das Werk geschaffen - der Titel wirkt programmatisch: "The Physical Impossibility Of Death In the Mind Of Someone Living" - "Die physische Unmöglichkeit des Todes in der Vorstellung eines Lebenden".

Über Saatchi zum Star
Charles Saatchi, der Hirst nach dessen legendärer "Freeze"-Ausstellung 1988 in den Londoner Docks durch seine Sammeltätigkeit zum Star machte, stellte das Kunstwerk ab 1992 in seiner Galerie aus.

Gekauft hatte Saatchi das Kunstwerk direkt vom Künstler für 50.000 Pfund (75.000 Euro). 2004 verkaufte Saatchi das Werk an den Hedge-Fonds-Manager Steven Cohen, der dafür die astronomische Summe von 6,5 Mio. Pfund (9,3 Mio. Euro) hinlegte. Dieser Verkauf machte Hirst hinter Jasper Johns zum weltweit teuersten Gegenwartskünstler.

Auflösung von innen
Doch das Problem mit dem beeindruckenden Werk von Hirst: Der Hai löst sich, auch für den normalen Betrachter deutlich sichtbar, in der Fomaldehydlösung langsam auf. Mittlerweile hat Hirst mit dem Besitzer des Kunstwerkes Kontakt aufgenommen.

Eine Reparatur des Multiples wurde von Hirsts Firma Science Ltd. versprochen - das biete man bei allen Werken aus dem Haus nach zehn Jahren an.

Alter Hai raus, neuer Hai rein
Wahrscheinlichstes Szenario scheint im Moment: Der Tigerhai wird ausgetauscht und durch einen neuen ersetzt. "Der Hai ist ein konzeptionelles Stück, er steht als Substitut für einen lebenden Hai gleicher Größe", verteidigt der Kunsthändler Larry Gagosin gegenüber dem "Art Newspaper" den Austausch der Kadaver.

Gagosin hat großes Interesse, den neuen Besitzer zufrieden zu stellen. Immerhin war es die Galerie von Gagosin, die den Deal zwischen Saatchi und Cohen abgewickelt hat.

Falsche Lösung
In Fragen der Aufbewahrung des Tierkadavers wurde Hirst von Experten beraten - etwa dem Kuratoren für Fische am Londoner Natural History Museum, Oliver Crimmen. Crimmen sagt, er habe Hirst schon 1991 darauf hingewiesen, dass Formaldehyd für eine Langzeitaufbewahrung untauglich und stattdessen eine Lösung auf Alkoholbasis angeraten sei.

Hirsts Hai löst sich von innen her auf, für Experten ein Zeichen dafür, dass man das Formaldehyd nicht auch dem Kadaver des Hais injiziert habe.

Es ging um "die Idee"
1996 hatte Hirst die Verwendung von Formaldehyd mit dem Hinweis verteidigt, dass es ihm nicht primär um die Aufbewahrung des Tiers für die Nachwelt gegangen sei, sondern darum, eine Idee zu kommunizieren.

Noch ist nicht entschieden, ob Hirst den Hai austauschen wird. Kunstexperten werden weiterhin Diskussionsstoff haben. Sammler, die andere Tiere von Hirst besitzen, will man beruhigen. Bei späteren Artefakten habe man das Formaldehyd tief in den Körper der Kadaver gespritzt.

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