Vernichtendes Urteil | |
Die Verfilmung des Bestsellers "Sakrileg" fällt in Cannes durch.
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Der mit Spannung erwartete Kinothriller "The Da Vinci Code - Sakrileg" ist bei einer Vorpremiere vor Filmkritikern in Cannes durchgefallen. Keine Hand rührte sich nach der Präsentation der zweieinhalb Stunden langen Hollywood-Großproduktion zum Applaus. "Viel Lärm um nichts" Die knapp 2.000 Journalisten, die den Streifen am Dienstagabend einen Tag vor dem Start der Filmfestspiele in der französischen Stadt sehen durften, nahmen die Verfilmung des Erfolgsromans von Dan Brown mit eisigem Schweigen auf. Während einer Schlüsselszene des Streifens gab es vereinzelt sogar Gelächter. "Viel Lärm um nichts", meinte ein US-Kritiker in einem Interview nach der Vorstellung. Er bezog sich damit auf die intensive öffentliche Diskussion über Film und Buch und die Proteste der katholischen Kirche. Verwirrtes Publikum "Ich habe den Film nicht sehr gemocht. Ich fand ihn fast so schlecht wie das Buch", sagte der Kritiker Peter Brunette von der US-Tageszeitung "The Boston Globe". Lina Hamchaoui vom britischen Radiosender IRN zeigte sich ebenfalls enttäuscht: "Die Dialoge waren geschmacklos." Das Publikum sei verwirrt gewesen, urteilte Margherita Ferrandino vom italienischen Fernsehsender RAI 3. Symbolkundliche Schatzsuche In "The Da Vinci Code - Sakrileg" geht es um eine jahrhundertelange Verschwörung der katholischen Kirche, die vertuschen soll, dass Jesus Christus mit der "Sünderin" Maria Magdalena verheiratet war und ein Kind hatte, dessen Nachfahren heute noch leben. In Form einer gigantischen symbolkundlichen Schatzsuche, in deren Verlauf etliche Menschen sterben, klären die Hauptdarsteller Tom Hanks und Audrey Tautou auch das Geheimnis des Heiligen Grals. Dem Oscar-gekrönten US-Regisseur Ron Howard ist es dabei offenbar nicht gelungen, die Faszination der Romanvorlage auf die Leinwand zu übertragen. Die Kritiker attestierten dem Film zu wenig Spannung und zu viel Kitsch. Nie vor Publikum getestet Die Strategie des produzierenden Hollywood-Studios Sony Pictures dürfte Howard dabei auf den Kopf gefallen sein. Der Film wurde bis zum Schluss geheim gehalten. Auf Testvorführungen vor Fokusgruppen, einen Vorgang, der in Hollywood gerade zum "Finetuning" von Großproduktion unumgänglich ist, hat Sony verzichtet. Sony will keine Angriffsfläche liefern Offiziell heißt es, man wolle den Hauch des Mysteriösen, der "Sakrileg" umgibt, nicht verlieren - nicht unbedingt das überzeugendste Argument bei einem Plot, den ohnehin schon zigmillionen Leser kennen. Laut Berichten des Online-Magazins Slate und der "New York Times" will Sony vor allem zwei Dinge vermeiden: einerseits, dass Kirchenvertreter ihre Kritik am Buch noch vor Filmstart ganz konkret auch an Filmszenen festmachen können, andererseits, dass militante Dan-Brown-Fans zu viele Abweichungen von der Romanvorlage "aufdecken" und zum Boykott der Verfilmung aufrufen könnten. Riskantes Projekt Die spannende Frage lautet nun, wie sich 200 Millionen Dollar dürfte das Studio für Produktion, Werbung und Vertrieb mindestens hingeblättert haben, lauten jüngste Schätzungen, und für das Marketing war so viel Fingerspitzengefühl notwendig wie bei kaum einem vergleichbaren Streifen. Streit über Marketing Hinter den Kulissen soll es zwischen dem Studio und der Produktionsfirma Imagine Entertainment heftige Debatten darüber gegeben haben, ob die Kontroversen um das Buch Teil der Vermarktungsstrategie sein sollten, berichtet der "New Yorker". Sony beharrte demnach darauf, sich vorsichtig zu verhalten. Trotzdem investiert das Studio auch in Projekte, die die Debatten weiter anheizen sollen - etwa in The DaVinci Dialogue, eine Website, auf der Religionsexperten theologische Fehler in Buch und Film aufdecken. Bis zu 100 Mio. am Startwochenende? Branchenkenner schätzen, dass "Sakrileg" allein in den USA 70 bis 100 Mio. Dollar am Startwochenende einnehmen könnte. Alles, was darunter liegt, wird als Misserfolg gewertet werden. Möglich ist ein schlechtes Abschneiden im bisher unsicheren Kinojahr 2006 durchaus, wie jüngst "Mission: Impossible III" zeigte. Ruhig schlafen werden die "Sakrileg"-Produzenten jedenfalls wohl erst wieder nächste Woche können. TV-Hinweise Das "Weltjournal" befasst sich am Mittwoch (22.30 Uhr, ORF2) damit, wie der Vatikan in der Geschichte mit unerwünschten Ideen umging - mehr dazu in tv.ORF.at. Die "Kreuz & Quer"-Dokumentation "Maria Magdalena - Heilige oder Hure?" (Dienstag, 23. Mai, 23.05 Uhr, ORF2) begibt sich auf die Spurensuche nach der wahren Maria Magdalena - mehr dazu in religion.ORF.at. Eine der kommenden Ausgaben von "Orientierung" (sonntags um 12.30 Uhr in ORF2) wird sich ebenfalls mit "Sakrileg" auseinander setzen. Radiohinweise "'Sakrileg' und die Spekulationen drumherum" sind Thema im "Wochenend-Wecker" am Sonntag, 21. Mai, in Ö3 - mehr dazu in oe3.ORF.at. Um "Verbotene Bücher, geheime Botschaften - Vom Judas-Evangelium bis zu Dan Brown" geht es am Mittwoch, 14. Juni, um 0.08 Uhr in "Imago - Menschen, Mythen, Religionen" in Ö1 - mehr dazu in oe1.ORF.at. Links: |
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