Kein Grund zum Feiern? | |
Zum 500. Todestag von Christoph Kolumbus gibt es in Lateinamerika kaum Jubiläumsveranstaltungen.
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Christoph Kolumbus hat eine neue Epoche in der Menschheitsgeschichte eingeleitet; er gilt als der Entdecker Amerikas (auch wenn die Wikinger vor ihm dort waren); Heerscharen von Historikern versuchten, sein Leben zu entschlüsseln. Dennoch gibt Kolumbus, eine der wichtigsten historischen Persönlichkeiten, auch 500 Jahre nach seinem Tod noch etliche Rätsel auf. Wo wurde der "Fremde" geboren? Bis heute wissen die Wissenschaftler nicht einmal definitiv, woher der berühmte Seefahrer, der sich selbst "Fremder" nannte, überhaupt stammte. Während pünktlich zum 500. Todestag am 20. Mai in Europa Genforscher jetzt einen neuen Anlauf wagen, um seinen Geburtsort zu bestimmen, macht man in Lateinamerika zunehmend gegen den Seefahrer mobil. In Venezuela und Honduras wurden sogar seine Denkmäler gestürzt. Revolutionär, nicht utopisch Schon als junger Mann war Kolumbus von der Idee besessen, über die Westroute nach Asien zu gelangen. Aus Indien und dem Kaiserreich China bezogen die Europäer Gewürze, Seide und andere Reichtümer. Der Vormarsch der Osmanen versperrte ihnen den Landweg nach Fernost. Die Idee von Kolumbus war für die damalige Zeit revolutionär, aber nicht aberwitzig. Unter den Gelehrten hatte sich längst die Ansicht durchgesetzt, dass die Erde eine Kugel war. Spanien finanzierte Seereise Als Kolumbus den Portugiesen, der wichtigsten Seemacht, seinen Plan unterbreitete, ging es nicht darum, ob er am Rande der Welt in ein Nichts abstürzen würde. Es ging um konkrete Fragen: Wie lange würde die Überfahrt dauern? Würden die Schiffe genügend Proviant und Süßwasser laden können? Portugal lehnte es schließlich ab, das Vorhaben zu finanzieren. Auch die Spanier zögerten, aber Königin Isabella sagte nach längerem Hin und Her ihre Unterstützung zu. Die große Überfahrt Am 3. August 1492 stach Kolumbus mit drei Schiffen von Palos de la Frontera in See. Am 12. Oktober ertönt der ersehnte Ruf: "Land in Sicht." Der Admiral hatte die Neue Welt erreicht - auch wenn er bis zu seinem Tod glaubte, den Seeweg westwärts nach China und Indien gefunden zu haben - und ging auf einer der Bahamas-Inseln an Land. Wenig später entdeckte er noch Kuba und schuf auf Hispaniola (heute Haiti und Dominikanische Republik) die erste spanische Kolonie in Übersee. Bei seiner Rückkehr nach Spanien wurde er begeistert gefeiert. Triumph und Scheitern Kolumbus' weitere Reisen verliefen weniger glorreich. Zwar entdeckte er noch viele andere Karibikinseln und erkundete die Festlandküste Mittelamerikas. Aber aus dem gefeierten Entdecker wurde immer mehr ein Gescheiterter. Die erhofften Reichtümer blieben aus; als Vizekönig der spanischen Besitzungen erwies er sich als Versager; das erhoffte Paradies in der Neuen Welt wurde zu einer Hölle, in der Gewalt und Krankheiten herrschten. Den Eingeboren, denen die Spanier das Christentum bringen sollten, brachten sie Tod und Versklavung. Ecuadors Indios lehnen Feiern ab Obwohl er den Boden des amerikanischen Festlandes auf seiner vierten Reise 1502 nur im heutigen Honduras, Costa Rica und Panama streifte, machen vor allem die Indios in den lateinamerikanischen Ländern Kolumbus als Auslöser für die Übel verantwortlich, die ihnen in den vergangenen 500 Jahren widerfahren sind. Die Indios in Ecuador etwa lehnen dieses Jahr erstmals eine Feier zu Ehren von Kolumbus ab. "Auf den Gräbern unserer Toten werden wir nicht tanzen", erklärte jüngst der Verband der Indios von Ecuador. Kein Feiertag mehr Der 12. Oktober, der Tag der Entdeckung, war noch vor wenigen Jahren ein Feiertag in allen Ländern Lateinamerikas. Heute ist er in vielen Staaten abgeschafft. Die Indios in Panama begehen ihn als "Tag der Trauer". In Venezuela benannte ihn Präsident Hugo Chavez um in "Tag des indigenen Widerstands". Dort brachten im Jahre 2002 Studenten das Denkmal des europäischen Entdeckers zu Fall. "Das war ein symbolisches Urteil gegen Kolumbus", kommentierte Chavez diese Tat. Es gebe im Übrigen keinen Grund, Kolumbus zu feiern: "Dieser Mann hat eine Invasion angeführt und einen der größten Völkermorde der Geschichte begangen." 1492-Feiern als Auslöser Der Umschwung entwickelte sich mit dem zunehmenden Selbstbewusstsein der Indiobewegungen vom Anfang der 90er Jahre an. Viele sähen seit der 500-Jahr-Feier im Jahre 1992 die Entdeckung nur noch als eine europäische Heldentat, analysiert der mexikanische Historiker Enrique Florescano. "Die große Show wurde für die indigene Bevölkerung zum Anlass, ihr Eigentum, ihre Kultur, ihre Sprache zurückzufordern, aber auch Forderungen bezüglich ihrer derzeitigen Lage aufzustellen." Link:
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