In der so genannten Clearstream-Affäre wird es für Frankreichs Premierminister Dominique de Villepin und Staatspräsident Jacques Chirac immer enger.
Jeden Tag bringen die Medien neue Enthüllungen im Verleumdungsskandal um De Villepin und Innenminister Nicolas Sarkozy und geben der Opposition neue Nahrung. Und auch der Staatschef selbst gerät dabei immer mehr ins Visier der Justiz.
Verdächtige Schwarzkonten
In groben Zügen stellt sich die Affäre - derzeit - so da: Der Chefstratege des Rüstungskonzerns und Airbus-Bauers EADS, Jean-Louis Gergorin, steht unter Verdacht, 2004 einem Untersuchungsrichter Kundenlisten des Luxemburger Finanzhauses Clearstream anonym zugespielt zu haben.
Darauf finden sich Schwarzkonten von EADS-Managern, russischen Mafiosi und auch Politikern wie Sarkozy und dem ehemaligen Verteidigungsminister Jean-Pierre Chevenement.
Gefälschte Kundenliste
Gergorin soll die Dateien außerdem seinem Freund De Villepin und dem Geheimdienstgeneral Philippe Rondot, der für Chirac und De Villepin schon in mehrere Affären ermittelt hat, gegeben haben.
Der Haken an der Sache: Die Clearstream-Listen mit den Geheimkonten waren gefälscht, die Manipulationen wurden von der Justiz rasch erkannt. Ob Gergorin, der am Mittwoch bei EADS beurlaubt wurde, von der Fälschung wusste, ist unklar.
Offener Krieg
De Villepin steht seither unter dringendem Verdacht, seinen politischen Rivalen Sarkozy angeschwärzt zu haben. Anfang 2004 soll er als Außenminister Rondot beauftragt haben, Sarkozy auszuspionieren, um belastendes Material in die Hand zu bekommen.
Monate später wurde der Justiz die gefälschte Clearstream-Liste zugespielt. Zwischen De Villepin und Sarkozy herrscht seither offener Krieg. De Villepin bestreitet die Anschuldigungen vehement.
Justiz sucht nach undichter Stelle
Der französische Justizminister Pascal Clement ordnete am Donnerstag eine Untersuchung darüber an, warum immer wieder Informationen der Clearstream-Affäre an die Presse gelangt sind. Damit solle "etwas Ruhe und Vernunft" in die Angelegenheit gebracht werden, sagte Clement.
Chirac-Geheimkonto in Japan?
Der Skandal brachte auch alte Vorwürfe um angebliche Geheimkonten Chiracs in Japan und Geheimdienstintrigen um den Staatschef wieder ins Spiel.
Die französische Satirezeitschrift "Le Canard Enchaine" berichtete am Mittwoch, Chirac habe bei der japanischen Tokyo-Sowa-Bank ein Konto mit etwa 45 Millionen Euro unterhalten. Das gehe aus Aussagen Rondots in der Clearstream-Affäre hervor.
"Verstümmelte Wiedergabe"
Das Geld sei von einer "kulturellen Stiftung" eingezahlt worden. Eine Verbindung Chiracs zur Clearstream-Affäre gehe aus der Aussage nicht hervor. Chirac dementierte die Vorwürfe, Rondot erklärte, seine Aussage sei "verstümmelt" wiedergegeben worden.
Gerüchte um Chiracs Japan-Connection gab es schon im Präsidentschaftwahlkampf 2002.
"Mehrfache Anweisungen"
Am Donnerstag veröffentlichte die Pariser Zeitung "Le Monde" nun weitere Aufzeichnungen von Rondot, die De Villepin und Chirac weiter belasten sollen. In den Notizen aus der Zeit von Ende 2003 bis Mitte 2005 werde mehrfach auf "Anweisungen" Chiracs in der Verleumdungsaffäre um angebliche Schwarzkonten von Politikern Bezug genommen.
De Villepin wiederum habe Rondot nach dessen Aufzeichnungen immer wieder gedrängt, belastendes Material gegen Sarkozy zu finden. Der Staatschef habe nie Ermittlungen gegen Politiker angeordnet, dementierten Mitarbeiter Chiracs am Donnerstag den Bericht.
Deckt De Villepin Chirac?
Nach Ende April veröffentlichten Zitaten aus einer Vernehmung Rondots hatte De Villepin 2004 gesagt, er handle im Auftrag Chiracs. Der heutige Premier stellte daraufhin klar, er habe das Treffen mit dem General zwar im Rahmen der ihm durch den Präsidenten zugeteilten Vollmachten angesetzt, dabei aber aus eigener Motivation gehandelt.
Es sei ihm um die Überprüfung verdächtiger Clearstream-Konten gegangen, nicht um gezielte Ermittlungen gegen Politiker. Chirac hatte sich am Mittwoch erstmals in einer Ansprache geäußert. Dabei warnte er vor einer "Diktatur der Gerüchte" und stellte sich erneut hinter De Villepin.
Es geht ums höchste Amt
Der Hintergrund der ganzen Affäre ist auch ein politischer, es geht um nichts Geringeres als Frankreichs höchstes Staatsamt: Sarkozy, De Villepin und Verteidigungsministerin Michele Alliot-Marie gelten als Anwärter auf Chiracs Nachfolge in einem Jahr.
De Villepin und Alliot-Marie genießen das Vertrauen des Präsidenten, Sarkozy ist seit langem sein schärfster interner Konkurrent.
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