Mehr als LSD-Fantasien

"Summer of Love" will die psychedelische Kunst rehabilitieren.

  Als der Schweizer Chemiker Albert Hofmann 1943 die bewusstseinserweiternde Droge LSD entdeckt hat, hat er "fantastische Bilder von außerordentlicher Plastizität und Lebendigkeit" gesehen und "ein intensives, kaleidoskopartiges Farbenspiel".

"Beeindruckendes Phänomen"

Grelle Farben und schräge Formen haben jetzt auch die Kunsthalle Wien in Beschlag genommen: Die Ausstellung "Summer of Love" widmet sich der psychedelischen Kunst der 60er Jahre und will sie rehabilitieren - als eines der "beeindruckendsten, zugleich aber eines der am meisten vernachlässigten Phänomene in der Geschichte und Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts".

Kurz, aber prägnant

1966, im Jahr vor dem tatsächlichen "Summer of Love" der Hippie-Bewegung, wurde der Begriff psychedelische Kunst erstmals verwendet. 1969 trugen die ersten Hippies ihre Bewegung wegen Kommerzialisierung symbolisch zu Grabe, und auch die Kunstrichtung ging bereits wieder zu Ende.

"In einer Zeit, wo Utopien und Glauben abhanden gekommen sind, wächst das Interesse an dieser überbordenden Ästhetik wieder", erklärte Kunsthallen-Chef Gerald Matt bei der Pressepräsentation.

500 Exponate

Rund 500 farbenprächtige Exponate wie Poster, Bilder, Fotos, Zeitschriften und Plattencover sollen Flower-Power-Stimmung in das Haus im Wiener MuseumsQuartier bringen.

Die Poster zeigen Bands wie Gladys Knight & the Pips, The Velvet Underground und Grateful Dead. In der Kunsthalle zu sehen ist auch das einzig bekannte, in Privatbesitz befindliche Kunstwerk von Jimi Hendrix, ein Aquarell namens "Flower Demon".

Joplins bunter Porsche

Prunkstück der Schau ist zweifelsohne der Porsche 356c Cabriolet aus dem Jahr 1965 von Janis Joplin, der kunstfertig bemalt wurde und dem Vernehmen nach noch fahrtüchtig sein soll. Janis' Schwester Laura Joplin stellte ihn zur Verfügung.

Im Schatten der Pop-Art

Die psychedelische Kunst stand schon zu ihrer Blütezeit im Schatten der Minimal Art und der Pop-Art. Die Ausstellung will mit über drei Jahrzehnten historischer Distanz nun neue Blickwinkel aufzeigen, abseits der Reduzierung auf eine Kunst des schlechten Geschmacks und der Drogenkultur.

Die nüchterne Aufmachung der Schau steht dabei manchmal in krassem Gegensatz zu den neonfarbenen LSD-Fantasien der Exponate. Diesen Zugang haben die Ausstellungsmacher ganz bewusst gewählt.

"Surrealismus des technischen Zeitalters"

Bis heute würden Kunsthistoriker das "globale Phänomen der psychedelischen Kunst" nicht akzeptieren, erklärte Kurator Christoph Grunenberg von der Tate Liverpool.

Das sei eine unverständliche Haltung, da diese Epoche eben nicht nur das Nebenprodukt der LSD-Erfahrungen ihrer Protagonisten gewesen sei. Man könne von einem "Surrealismus des technischen Zeitalters sprechen", der erstmals Kunst, Politik, Musik und Leben verband.

Psychedelik trifft Avantgarde

Auch eine Verschränkung der psychedelischen Kunst mit der Avantgarde hat es laut Grunenberg gegeben - zum Beispiel bei Andy Warhol und der Rockband The Velvet Underground.

Warhol setzte etwa bei Velvet-Underground-Konzerten in der New Yorker Disco Dom 1966 Tanz, Filmeinspielungen, Dia-Überblendungen und eine Lichtshow mit fließenden, stroboskopartigen Bildern ein, die durch unvermischbare Flüssigkeiten entstehen.

Österreichs Blumenkinder

"Summer of Love" ist eine Kooperation der Kunsthalle Wien mit der Tate Liverpool und der Schirn Kunsthalle Frankfurt und war in den beiden Häusern bereits zu sehen. Für Wien hat man die Schau um eine eigene Ebene erweitert, die sich ausschließlich österreichischen Künstlern jener Zeit widmet.

Im Mittelpunkt steht vor allem die Architekturszene mit Coop Himmelb(l)au, Hans Hollein, Haus-Rucker-Co und Walter Pichler. Auch Raimund Abraham, Christian Ludwig Attersee, Ernst Fuchs und Arnulf Rainer sind vertreten.

Die Ausstellung

"Summer of Love. Psychedelische Kunst der 60er Jahre" ist von 12. Mai bis 17. September in der Kunsthalle Wien zu sehen. Zur Schau ist ein Katalog um 29 Euro erschienen.

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