Die Golden Gate Bridge ist das weltweit bekannte Wahrzeichen von San Francisco. Sie ist die siebtlängste Hängebrücke der Welt. Und sie hat einen schrecklichen Beinamen: "tödlichste Brücke der Welt".
Mindestens 1.300 Selbstmorde
Mindestens 1.300 Menschen sind seit der Eröffnung 1937 von der Brücke in den Tod gesprungen, manche Schätzungen gehen von einer hohen Dunkelziffer und über 2.000 Selbstmorden aus.
Der US-Filmemacher Eric Steel hat darüber jetzt eine Aufsehen erregende Dokumentation gedreht. "The Bridge" hatte jüngst beim Tribeca-Filmfestival in New York und beim San Francisco International Film Festival Premiere.
Ein ganzes Jahr lang gefilmt
Ein bahnbrechender, heute berühmter "New Yorker"-Artikel aus dem Jahr 2003 war die Inspiration für den Film. Steel und sein Team filmten die Brücke das ganze Jahr 2004 lang. 100.000 Stunden Material sollen dabei zusammengekommen sein.
In dem Jahr starben 24 Menschen den Freitod bei Sprüngen von der Brücke. Dass mehrere Selbstmorde in aller Deutlichkeit in "The Bridge" zu sehen sind, ist nur einer der Gründe, warum der Film für Aufregung sorgt.
Negative Vorbildwirkung?
Da wäre einmal das Thema selbst: Medien berichten üblicher Weise nicht über konkrete Selbstmorde, weil Nachahmungstäter befürchtet werden.
"Das ist wie eine Tageszeitung, die auf der Frontseite ein Foto von jemandem hat, der sich in den Schädel schießt", beschwerte sich Mark Chaffee vom kalifornischen Suicide Prevention Advocacy Network, einer Vereinigung, die Selbstmorde verhindern will, vor kurzem im "San Francisco Chronicle". "Es ist unverantwortlich, ausbeuterisch, voyeuristisch, grausig und unmoralisch."
Nebel, Wellen und tödliche Sprünge
Bereits der zweiminütige Trailer des Films, der auf der Website des Tribeca-Festivals angeboten wird, ist nichts für schwache Nerven.
Zu sehen sind die Golden Gate Bridge in dem gespenstischen Nebel, in den sie fast täglich getaucht ist, die beängstigenden Wellen, die sich an den Fundamenten der beiden Brückenpfeiler brechen - und mehrere Menschen, die über das Brückengeländer steigen, um zu springen.
Behörde belogen?
Kritik musste Steel auch einstecken, weil er an einen Großteil des Filmmaterials unter Vorspiegelung falscher Tatsachen gekommen sei, heißt es.
Um eine Drehgenehmigung zu erhalten, stellte Steel einen Antrag bei den zuständigen Beamten des National Park Service: Er wolle "das kraftvolle, spektakuläre Zusammenspiel von Monument und Natur" einfangen, das sich tagtäglich in der Golden Gate National Recreation Area abspiele, dem Naherholungsgebiet rund um die Brücke.
"Habe richtig gehandelt"
Dass er einen Film über die Selbstmorde drehen wollte, sprach er nie offen aus. Er habe unnötige öffentliche Aufmerksamkeit vermeiden wollen, um zu verhindern, dass sich noch mehr Selbstmörder absichtlich vor den Augen seiner Kameras in den Tod stürzen, wie er heute sagt.
"Ich fürchtete, dass die Kunde nach außen dringen würde, dass jemand einfach deshalb springen würde, um sich auf Film zu verewigen. Trotz der Kritik, ich hätte etwas unethisches gemacht, glaube ich, dass ich richtig gehandelt habe", so Steel.
Außerdem führte der Dokumentarfilmer zahlreiche Interviews mit Familienangehörigen von Selbstmördern. Dass er zuvor ihre verstorbenen Angehörigen beim Suizid gefilmt hatte, erwähnte er nicht. Einige fühlen sich nun manipuliert und hintergangen.
Team konnte Sprünge verhindern
Eine Dokumentation über Selbstmorde zu drehen, ist offensichtlich ein moralischer Spagat. Steels Filmteam musste zwangsläufig Selbstmorde auf Film bannen: ohne Bilder keine Doku, und je spektakulärer die Selbstmord-Aufnahmen, desto "besser" der Film.
Andererseits wurden die Filmemacher vor Beginn der Dreharbeiten in Selbstmordprävention eingeschult und konnten mehrere Sprünge verhindern.
Die Befürworter von "The Bridge" führen zudem ins Treffen, dass es erst die gestiegene Aufmerksamkeit durch das Filmprojekt brauchte, bis die Behörden eine lange geforderte Machbarkeitsstudie über einen Fußgängerzaun in Auftrag gab.
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