Jury beriet 41 Stunden

Geschworene schlossen sich der Argumentation der Staatsanwaltschaft nicht an.

  Im bisher einzigen Prozess um die Terroranschläge vom 11. September 2001 ist der Franzose Zacarias Moussaoui in den USA zu lebenslanger Haft verurteilt worden.

Die Geschworenen wiesen nach insgesamt 41-stündiger Beratung bei ihrem Urteil am Mittwoch in Alexandria bei Washington die Forderung der Staatsanwaltschaft nach der Todesstrafe zurück. Der 37 Jahre alte aus Marokko stammende Franzose hatte sich in mehreren Anklagepunkten schuldig bekannt.

"Amerika, Du hast verloren"

Die Möglichkeit einer Entlassung auf Bewährung wird es demnach für den 37-Jährigen nicht geben. Das Urteil ist dennoch eine schwere Niederlage für die Bundesanwaltschaft, die für den Franzosen die Todesstrafe beantragt hatte. "Amerika, Du hast verloren", kommentierte Moussaoui das Urteil bei Verlassen des Saales.

Stimmverteilung unklar

Die Geschworenen gelangten nach ingesamt siebentägigen Beratungen zu ihrem Beschluss. Für die Todesstrafe wäre Einstimmigkeit erforderlich gewesen, für die Verhängung der lebenslänglichen Haft genügte es dagegen, dass nur einer der Geschworenen gegen die Todesstrafe war.

Gerichtssprecher Edward Adams wollte sich allerdings nicht dazu äußern, mit welcher Stimmenverteilung die neun Männer und drei Frauen ihren Beschluss trafen.

Der Grund für die Entscheidung für eine lebenslange Haftstrafe sei der gewesen, dass die Jury nicht einstimmig feststellen konnte, dass Moussaouis Handlungen zum Tode der 3.000 Menschen geführt hatten. Die Frage eines möglichen Märtyrertums des Angeklagten habe dagegen bei keinem der Jury-Mitglieder eine Rolle gespielt.

Auch Richterin zweifelte

Zuletzt hatte die Richterin im Prozess Zweifel an der Schlüsselrolle Moussaouis geäußert. Laut einer am Dienstagabend veröffentlichen Aufzeichnung einer Gerichtssitzung vom 21. April, die hinter verschlossenen Türen ohne die Geschworenen stattfand, zog Richterin Leonie Brinkema Moussaouis Behauptung in Zweifel, er habe gewusst, dass das Word Trade Center in New York Ziel eines Anschlags werden sollte.

"Kein Planer"

Aus dem Beweismaterial ergebe sich auch nicht, dass Moussaoui ein "Planer" oder "Organisator" gewesen sei. Sie sei nach wie vor der Meinung, dass Moussaoui sich in vielen Punkten nicht zutreffend geäußert habe, sagte die Richterin während der Sitzung

Lügen gegenüber FBI

In einem ersten Prozess hatte die Jury zunächst entschieden, dass eine Hinrichtung wegen Komplizenschaft mit den Attentätern vom 11. September 2001 grundsätzlich möglich sei.

Durch seine Lügen gegenüber FBI-Agenten trage Moussaoui Mitverantwortung für mindestens einen der über 3.000 Toten bei den Terroranschlägen des 11. September, befanden die Geschworenen des Gerichts in Alexandria. Sie sprachen ihn auch in drei weiteren Anklagepunkten für schuldig, wie es der Angeklagte schon beim Prozess selbst getan hatte.

Erfundene Geständnisse?

In dem bisher einzigen US-Prozess zum 11. September 2001 ist allerdings weiter ungeklärt, ob Moussaoui selbst ursprünglich für diese Anschläge eingeplant war oder nicht. Er hatte zwar vor wenigen Tagen ausgesagt, dass er am selben Tag wie die 9/11-Attentäter ein Flugzeug in das Weiße Haus lenken sollte.

Noch vor dem Prozess sagte er hingegen, dass er den Angriff auf den Amtssitz des US-Präsidenten nicht zeitgleich mit den 9/11-Attentätern, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt ausführen sollte.

Tod als Märtyrer gewünscht?

Andere El-Kaida-Mitglieder meinten jedoch, seine Teilnahme wäre eher unwahrscheinlich gewesen; auch dass er dumm und geschwätzig sei, war von ihnen zu hören.

Mit überraschenden Geständnissen und eigenen Belastungen in letzter Minute wollte Moussaoui offensichtlich die Todesstrafe forcieren, um als Märtyrer ins Paradies zu kommen.

Staatsanwalt für hartes Urteil

Die Anklage hatte wegen der Schwere des Verbrechens die Todesstrafe gefordert. Es sei an der Zeit, Moussaouis Hass und Bosheit ein Ende zu setzen, sagte Staatsanwalt David Raskin vor gut einer Woche in seinem Schlussplädoyer.

Die Ankläger argumentierten, dass Moussaoui von Plänen wusste, Flugzeuge zu entführen und in Gebäude zu lenken. Wenn er das in seinen Verhören preisgegeben hätte, hätten die US-Behörden die Anschläge verhindern können.

"Nur in Träumen beteiligt"

Die Verteidiger, die gegen den Willen Moussaouis um dessen Leben kämpften, bezeichneten den Angeklagten dagegen als psychisch gestört. Sie Verteidiger argwöhnen, dass Moussaoui das Todesurteil suchte, um als Märtyrer sterben zu können.

Nach den Worten von Verteidiger Edward MacMahon war Moussaoui nur in seinen Träumen an den Anschlägen beteiligt. "Moussaoui wäre am 11. September gern an Bord eines Flugzeuges gegangen, aber er wurde nicht gefragt", sagte der Pflichtverteidiger.

Der Angeklagte versuche jetzt, für sich eine Rolle in der El-Kaida-Geschichte zu schreiben, obwohl er nur ein Anhänger des Terrornetzwerkes gewesen sei.

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