"Schlächter heiliger Kühe" | |
In knappen und ironischen Sprüchen hielt Galbraith den Amerikanern immer wieder einen Spiegel vor.
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Der verstorbene US-Ökonom John Kenneth Galbraith war für seinen Humor und die prägnante Formulierungskunst ebenso bekannt wie von Kollegen beneidet. Als Galbraith zu Beginn der 60er Jahren US-Botschafter in Indien war, genoss Präsident John F. Kennedy die Lektüre von Galbraiths schriftlichen Berichten so sehr, dass er anordnete, ihm alle Berichte des Botschafters zukommen zu lassen, auch wenn sie nicht an ihn gerichtet waren. Wirtschaft als Aspekt der Kultur Auch an der Harvard-Universität, an der Galbraith den Großteil seines Lebens unterrichtete, war er bei Generationen von Studenten als Vortragender besonders beliebt. Er habe Wirtschaft stets "mehr als einen Aspekt der Gesellschaft und Kultur denn als arkane Zahlendisziplin" betrachtet, so die "New York Times" in ihrem Nachruf. Galbraith betonte auch immer, den entscheidenden Einfluss von Gesellschaft und Politik auf die Wirtschaft, während ein Großteil seiner Kollegen das umgekehrt sahen und sehen. Außenseiter in seiner Branche Galbraith gefiel sich in der Rolle als "Schlächters heiliger Kühe" und als Außenseiter unter den Ökonomen. Viele Kollegen hätten seine Ansichten über Produktion und Konsum nicht geteilt. Galbraith habe das lediglich als Zeichen dafür gewertet, dass seine Kritiker erkannt hätten, wie subversiv seine Ideen seien, so die "New York Times" ("NYT"). Kritik am US-Wirtschaftssystem In seinem bekanntesten Werk, dem Bestseller "The Affluent Society" (Gesellschaft im Überfluss, 1958) zeichnete Galbraith Nachkriegsamerika als Land, in dem der Wohlstand im Privatsektor immer stärker ansteigt, der öffentliche Sektor wie soziale Einrichtungen und die Infrastruktur jedoch nur schwach ausgebildet sind. Galbraith wies außerdem darauf hin, dass in einer Überflussgesellschaft die Einkommensschere weiter bestehen bleibt. Der feine Unterschied "Im Kapitalismus beutet der Mensch den Menschen aus. Im Kommunismus ist es genau umgekehrt", so Galbraith zynisch-kritisch über das US-Wirtschaftssystem. Galbraith wies auch die heute allgemein verbreitete Vorstellung zurück, dass eine ständig steigende Güterproduktion ein Zeichen ökonomischer und gesellschaftlicher Stärke sei. Prognosen und Astrologie Galbraith, der selbst mehrere Börsencrashes voraussagte, war gegenüber Börsenanalysen und Wirtschaftsprognosen extrem skeptisch. "Die einzige Aufgabe von Wirtschaftsprognosen ist es, Astrologie seriöser erscheinen zu lassen." Der Farmersohn, der für einen Ökonomen mit besonderem Sprachgefühl ausgestattet war, stieß sich an Euphemismen wie "Marktsystem" statt "Kapitalismus", als ob es einen festgelegten Automatismus gebe, nach dem die Wirtschaft funktioniert. Und während die staatliche Bürokratie allgemein verhasst sei, sei es den Unternehmen gelungen, ihre Verwaltung als "Management" positiv zu besetzen. Dabei war für Galbraith kaum ein Unterschied zwischen privatwirtschaftlicher und öffentlicher Verwaltung. Moralische Rechtfertigung für Egoismus Die Kritik des bekennenden Liberalen Galbraith an den politischen Zuständen in seiner Heimat fasst ein Spruch zusammen: "Der moderne Konservative ist mit der Beantwortung einer der ältesten Fragestellungen der Menschen in der Moralphilosophie beschäftigt: Die Suche nach einer moralisch überlegenen Rechtfertigung für Egoismus." Auch wenn Galbraith mit seinem Plädoyer für eine soziale Marktwirtschaft niemals wirklich durchdringen konnte - mit seinen prägnant formulierten Mahnungen habe er der US-Gesellschaft immer wieder den Spiegel vorgehalten, so die "NYT". Links:
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