Das lange Leben des Bildhauers und Architekten Gianlorenzo Bernini (1598 bis 1680) ist von zahlreichen Erfolgen gekrönt gewesen.
Immer wieder wurde er mit Michelangelo verglichen. Zahlreiche Ehrungen zeugen von der Anerkennung, die ihm seine Zeit zollte. Bernini prägte das Erscheinungsbild des barocken Rom.
In allen Künsten bewandert
In der Zeitspanne von rund sieben Jahrzehnten war er der maßgebende Künstler in der "Ewigen Stadt". Als Hauskünstler der Päpste war Bernini auch für die Stadtplanung und die Festivitäten zuständig. Obendrein malte er und komponierte Opern.
Ganz nebenbei erfand er auch die moderne Karikatur. Und vor seinen scharfen Witzen waren selbst die Päpste nicht gefeit - sie erfuhren nur nie davon.
Ein Panorama des barocken Rom
In seinem Buch "Bernini - der Schöpfer des barocken Rom" präsentiert Arne Karsten auch die sozialen, gesellschaftlichen und politischen Strömungen der Zeit, die den Aufstieg des einstigen Wunderkindes Gianlorenzo erst möglich machten.
Skrupellos und auf Karriere bedacht
Neben seinem Ruf als Künstlergenie galt Bernini seinen Zeitgenossen auch als skrupelloser Karrierist und hemmungsloser Exzentriker. So war er etwa für die Wutausbrüche seinen Untergeben gegenüber bekannt.
Mit Ellbogentaktik und dem richtigen Wort im richtigen Ohr setzte er sich auch gegen Kollegen skrupellos durch.
Charmanter Plauderton mit den Mächtigen
Im Umgang mit seinen Auftraggebern, vornehmlich Kardinäle und Päpste jedoch schlug der herrische und unbeherrschte Bernini andere Töne an. Hier galt er als charmanter Plauderer, der zu verzücken verstand.
"Florenz, nicht Neapel"
Geboren wurde Bernini in Neapel, seine Familie stammte jedoch aus der Nähe von Florenz, worauf Bernini zeit seines Lebens immer wieder hinwies.
Mit acht Jahren, im Herbst 1606, zog die Familie schließlich nach Rom, wo Gianlorenzo bis zu seinem Tod - mit kleineren Unterbrechungen - bleiben sollte.
Geschult an der Antike
Begonnen hatte Gianlorenzo in der Bildhauerwerkstatt seines Vaters Pietro. Dieser erkannte das Talent seines Sohnes und förderte ihn nach Kräften. Doch schon als Kind besaß Bernini seinen legendären Ehrgeiz.
So ging er von seinem Wohnhaus nahe der Kirche Santa Maria Maggiore quer durch die Stadt zum Vatikan, um die dort befindlichen antiken Statuen zu studieren und akribisch nachzuzeichnen.
Da staunte der Papst
Seinen ersten Auftritt vor einem Papst hatte Bernini einer Anekdote nach bereits als Kind. Papst Paul V. fragte den kleinen Gianlorenzo bei der Audienz, ob er ein Gesicht zeichnen könne.
Statt einer Antwort bekam er die selbstbewusste Frage gestellt, was für ein Gesicht er wünsche. Paul V. befahl ihm, den Heiligen Paulus zu zeichnen, wie Karst schreibt.
Das mit raschen und sicheren Strichen zu Papier gebrachte Ergebnis begeisterte den Papst, so die Legende weiter. Vergleiche mit dem Auftritt des kleinen Wolfgang Amadeus Mozart vor Kaiserin Maria Theresia drängen sich auf.
Erste Meisterwerke mit zwanzig
Bernini arbeitete weiter in der Werkstatt seines Vaters mit. Mit knapp zwanzig Jahren schuf er sein erstes Meisterwerk: die Skulptur des Heiligen Lorenzo.
Im Rom der Gegenaufklärung standen Märtyrer hoch im Kurs. Und Berninis St. Lorenzo verstand die Aufmerksamkeit der reichen Kunstliebhaber an der Kurie auf sich zu ziehen.
Schon in seinen jungen Jahren zeigte Bernini eine technische Fertigkeit und künstlerische Virtuosität, die seine Konkurrenten weit hinter sich ließ.
Staunen über "Aeneas und Anchises"
Der Durchbruch gelang Bernini nur wenig später mit der für den Papstnepoten und ersten großen Förderer Kardinal Scipione Borghese angefertigten Figurengruppe "Aeneas und Anchises".
Sie zeigt, wie der antike vergilische Held Aeneas seinen Vater Anchises und seinen kleinen Sohn Ascanius aus dem brennenden Troja rettet.
Was die Statue noch erzählt
Der Gründungsmythos von Rom ist so die erste Bedeutungsebene der Skulptur, wie Karsten schreibt. Damit verquickt ist eine weitere.
Die Kirche berief sich nicht nur auf die christlichen Wurzeln der Petrusnachfolge, sondern ebenso auf die weltlichen römischen Kaiser. Also wird in dieser Statue auch der Papst verherrlicht.
Nepot setzt sich Denkmal
In der Rolle des Aeneas konnte das gelehrte Publikum dieser Tage aber auch den Papstnepoten Borghese erkennen, der den kranken und alten Pontifex stützt und bei den schwierigen - auch weltlichen - Geschäften des Papsttums kräftig unterstützt.
Ausgiebig nacktes Fleisch
Bernini schuf im Auftrag der Kirchenfürsten jedoch auch gewagt Erotisches. So zeigt der "Raub der Prosperina" die in Ovids "Metamorphosen" erzählte Geschichte der Prosperina, in die sich der Unterweltsgott Dis verliebt und sie in sein Reich, die Sphäre des Todes, entführt will.
Bernini zeigt in seiner Skulptur Prosperina, wie sie sich gegen Dis, also den Zugriff des Todes, wehrt. So wird die heidnische Geschichte quasi katholisch gewendet und zum Auferstehungsmythos. Bernini zeigt dabei ausgiebig nacktes Fleisch.
Religiöse Ekstase oder Orgasmus?
Auch bei seinen Heiligen präsentiert sich Bernini nicht gerade zurückhaltend. So stellt er die Ekstase der Heiligen Teresa in der Cornaro-Kapelle in Santa Maria della Vittoria in Rom für moderne Besucher als beinahe orgiastische Verzückung der Heiligen dar.
"Extreme Intensität"
Auch in seinem Alterswerk greift Bernini wieder auf dieses Motiv zurück. Die Statue der seligen Ludovica ist wie die Heilige Teresa "von äußerstem Pathos geprägt, doch zeigt die extreme Intensität des dargestellten Augenblicks nicht denjenigen der Ekstase, sondern der Agonie", wie Karsten schreibt.
Werbegeschenk im Mächtespiel
Berninis Werke waren auch ein Politikum: Sie wurden verschenkt - mit Hintergedanken. So wollte etwa Kardinal Borghese nach dem Tod seines Onkels Paul V. seine Todfeinde an der Kurie besänftigen.
Die Skulptur der Prosperina befand sich nur kurz in den Händen des Auftraggebers. Nur kurze Zeit erfreute sich der unter dem neuen Papst Gregor XV. in Ungnade gefalle Borghese sich an Berninis Statue.
Bereits einen Monat nach der Aufstellung in seiner Villa zahlte er den Transport der Gruppe in die Villa seines verhassten Rivalen Kardinal Ludovico Ludovisi, dem Nepoten von Papst Gregor XV.
Und eine Porträt kommt zurück
Auch nach dem Tod von Gregor XV. war Berninis erstem Förderer Borghese weiter auf dem Abstellgleis der römischen Gesellschaft. Als kleines Trostpflaster ließ der neue Papst Urban VIII., der frühere Kardinal Maffeo Barberini, ein Geschenk bei Bernini für Borghese anfertigen.
Es ist dies die einzige Bernini-Büste eines Kardinals im 21-jährigen Pontifikat Urbans VIII., der nicht der Familie der Barberinis angehörte.
Was der Papst bezweckte
Auch hier steckt im Hintergrund die Diplomatie der Kurie. Die Borghese-Partei, also der Kardinal und weitere Würdenträger, die unter Paul V. ernannt worden waren, sollten wieder enger an den Papst gebunden werden.
Die Borghese-Büste war geradezu ein Werbegeschenk im politischen Mächtespiel des Vatikans. Andere Büsten und Skulpturen Berninis wurden aus ähnlichen Gründen an ausländische Diplomaten und Staatsoberhäupter verschenkt. Berninis Ruf erreichte dadurch auch außerhalb Roms Weltruhm.
Peter Bauer, ORF.at
Das Buch
Arne Karsten, Bernini - der Schöpfer des barocken Rom. C. H. Beck, 25,60 Euro
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