Experten skeptisch

Prodi: "Sind uns der Schwierigkeiten bewusst, die das Land belasten."

  Politische Instabilität, ausuferndes Defizit, die Perspektive eines Ausscheidens aus der Euro-Zone. Internationale Beobachter sehen für Italien schwarz.

Angesichts des knappen Sieges des designierten Regierungschefs Romano Prodi bei der Parlamentswahl und der wirtschaftlichen Schieflage mehren sich negative Prognosen über die Fähigkeit Italiens, die Verschuldung abzubauen und im Euro-Raum zu bleiben.

"Schwierigkeiten sind groß"

"Wir müssen uns mit strukturellen Problemen auseinander setzen. Die Schwierigkeiten sind groß, da das Land seit mindestens 15 Jahren nicht mehr wächst", so der Industriellen-Chef Luca Cordero di Montezemolo.

Italien sei von schwerwiegenden Problemen belastet, wie die niedrige Beschäftigungsrate, die Kluft zwischen dem industriereichen Norden des Landes und dem Süden, Krisen und Umstrukturierungen, die bisher führende Unternehmen betreffen, sowie eine stark alternde Bevölkerung.

Drängen auf stärkere Investitionen

Der Industriellenverband Confindustria drängt auf stärkere Investitionen im Infrastrukturbereich, um die Wirtschaft anzukurbeln und die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe zu steigern.

Auch in Forschung und Bildung müsse Italien aktiver investieren, meint Generaldirektor Stefano Parisi.

"Kein Sauerstoff mehr"

Auch die italienischen Kaufleute fordern mit Nachdruck Maßnahmen zur Ankurbelung des stagnierenden Konsums. "Italien hat keinen Sauerstoff mehr, die Familien geben nur mehr Geld für das Wesentlichste aus", sagte ein Sprecher des einflussreichen Kaufleuteverbandes Confcommercio.

IWF-Experten pessimistisch

Prodi wird auch vom Internationalen Währungsfonds (IWF) unter Druck gesetzt. In ihrem kürzlich vorgelegten Weltwirtschaftsausblick äußerten sich die Wirtschaftsexperten in Washington über die Wachstumsaussichten der italienischen Wirtschaft pessimistisch.

Sie forderten die neue Regierung zur sofortigen Verabschiedung eines umfassenden Pakets mit Anti-Defizit-Maßnahmen auf, um die italienische Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen.

Aufruf zur Zusammenarbeit

Prodi reagierte auf den IWF-Bericht gelassen. "Wir sind uns der Schwierigkeiten bewusst, die das Land belasten. Wir sind überzeugt, dass mit den in unserem Wahlprogramm enthaltenen Maßnahmen Italien wieder den Aufschwung schaffen kann", kommentierte Prodi.

Er rief die Sozialpartner zur Zusammenarbeit mit der Regierung auf, um die italienische Wirtschaft wieder in Gange zu bringen.

Warnung vor Kapitalflucht

Ob es Prodi mit seinen Maßnahmen schaffen wird, bezweifeln einige Experte. Für Aufsehen sorgte Giancarlo Cervino, Direktor des Center for International Fiscal Studies, in Lugano.

"Wegen der politischen Instabilität hat bereits die Kapitalflucht aus Italien in die Schweiz begonnen", sagt Cervino. Die Linke plane die Erhöhung der Besteuerung auf Kapitalerlöse sowie höhere Erbschaftssteuer.

Auch die Sorge wegen einer möglichen Abschaffung der Arbeitsmarktreform, die zur Flexibilisierung des Beschäftigungsmarkts in Italien geführt hatte, sorge dafür, dass mehrere ausländische Unternehmer Italien verlassen, meint Cervino.

Micaela Taroni, APA

 
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