Bernardo Provenzano, der "Boss der Bosse", wurde diesen Monat nach 43 Jahren auf der Flucht festgenommen - inmitten von Nachrichten, die für seine Untergebenen gedacht waren.
Eine verdeckte Ermittlerin, Codename "die Katze", habe ihn offenbar bei seiner Korrespondenz gestört, berichtet der britische "Guardian" (Online-Ausgabe) am Freitag.
Durchbruch bei Ermittlungen?
Piero Grasso, Italiens Chefermittler in Sachen Mafia, sieht sich nach der Provenzano-Festnahme einer Masse an Informationen gegenüber, die Licht auf die geheime Arbeitsweise der "Cosa Nostra" werfen könnten.
Vieles konnten die Ermittler bisher aber nicht dechiffrieren. Nun vermuten sie, dass Provenzano die Bibel als Codebuch für seine Korrespondenz benutzte, schreibt der "Guardian".
Die Bibel in Zahlen
Die italienische Presseagentur ANSA beruft sich auf eine anonyme Quelle aus dem Ermittlerteam: "Es scheint, dass bestimmte Worte in der Bibel mit Zahlen verbunden waren, die dann den Code für manche der wichtigsten Nachrichten ergaben."
Neben Provenzanos Bett sei eine mit zahlreichen Kommentaren und Unterstreichungen versehene Bibel gefunden worden.
"Bibel muss verstanden werden"
Immer wieder hat er seit seiner Festnahme verlangt, dass ihm genau diese Bibel in seine Zelle im Hochsicherheitsgefängnis gebracht wird. Die Behörden wurden deshalb skeptisch.
Auch seine Aussage, die Bibel müsse nicht gelesen, sondern "verstanden" werden, räumte den Verdacht nicht gerade aus. Niemand glaubt ernsthaft an eine tiefe Religiosität Provenzanos.
"Cosa Nostra" fest im Griff
Aber nicht die gesamte Korrespondenz wurde in komplizierte Codes übersetzt. Aus jenen Briefen, die bereits gelesen werden konnten, geht klar hervor, dass Provenzano tatsächlich bis zuletzt der "capo di tutti i capi" (Boss aller Bosse) war.
Alle hochrangigen Mafia-Bosse kommunizierten höflich und vorsichtig mit ihm, berichtet der "Guardian". Er sei sogar mit der antiquierten Höflichkeitsform "vossia" angesprochen worden.
Probleme mit dem Nachwuchs
Eine weitere Erkenntnis aus den Briefen sei das massive Nachwuchsproblem der Mafia. Seit 2000 sei die Zahl der Mitglieder von 5.000 auf 2.700 gesunken, Neurekrutierungen gingen nur schleppend voran.
Provenzano verweigert Aussage
Unterdessen verweigerte Provenzano bei einem ersten Verhör im Gefängnis von Terni in Mittelitalien jede Antwort.
Bei der Befragung durch die Staatsanwaltschaft von Palermo habe Provenzano von seinem Recht Gebrauch gemacht, Stillschweigen zu bewahren, wie Provenzanos Anwalt Franco Marasa am Donnerstag mitteilte.
Jedoch werde er wahrscheinlich am 2. Mai per Video zu einem Prozess in Palermo zugeschaltet, in dem er wegen mehrerer in den 80er Jahren verübter Morde angeklagt ist.
In 40 Morde verwickelt
Provenzano war am 11. April nach über 40-jähriger Flucht auf Sizilien gefasst worden. Er galt als der meistgesuchte italienische Mafia-Boss. Der 73 Jahre alte "Boss der Bosse" soll laut Aussagen von Mafia-Aussteigern in mindestens 40 Morde verwickelt gewesen sein.
Mehrmals wurde er in Abwesenheit zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Auch soll er der Drahtzieher des internationalen Drogenhandels und der Geldwäsche sein.
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