Nach der Verhaftung des meistgesuchten Mafioso Bernardo Provenzano alias "der Traktor" geht in Sizilien nun die Angst um: Provenzanos Festnahme reißt ein großes Loch in das Machtgefüge der Mafia - die Exekutive befürchtet, dass jüngere Mitglieder der Cosa Nostra einander einen blutigen Kampf um die "Pfründe" Provenzanos liefern werden.
Der oberste Mafia-Jäger Pietro Grasso warnte bereits, jetzt könne es auf Sizilien zu einem "Nachfolgekrieg" kommen. "Es ist wohl besser, wieder bewaffnet herumzulaufen", meinte auch ein Polizist in Palermo.
Weitere Verhaftungen
Einen Tag nach der Festnahme Provenzanos ordnete die Staatsanwaltschaft in Palermo die Festnahme von drei Vertrauten des "Paten" an.
Die Männer aus der Mafia-Hochburg Corleone sollen Provenzano Nachrichten und Briefe aus ganz Sizilien in sein Versteck weitergeleitet haben, berichtete die Nachrichtenagentur ANSA am Mittwoch. Nach jahrzehntelangen Ermittlungen war der "Boss der Bosse" am Dienstag von Spezialeinheiten der Polizei in der Nähe von Corleone gefasst worden.
Reicher Fund in Provenzanos Versteck
Unterdessen durchsuchten die Fahnder das Gehöft, in dem Provenzano aufgespürt worden war.
Unter anderem seien bereits zahlreiche Briefe gefunden worden, in denen es um die Organisation der Mafia auf Sizilien gehe, hieß es.
"Politiker halfen Provenzano"
Grasso erhebt auch schwere Vorwürfe in Richtung Politik und Wirtschaft. Das "Phantom" habe sich nur deshalb jahrzehntelang erfolgreich vor der Polizei verstecken konnte, weil Unternehmer und Politiker den Mafioso, der allein 50 Menschen eigenhändig ermordet haben soll, unterstützt hätten.
Laut Grasso hat die sizilianische Cosa Nostra mit Provenzano einen unbestrittenen Führer verloren. Grasso schloss zudem aus, dass sich der 73-jährige Mafia-Boss zur Zusammenarbeit mit der Justiz entschließen könnte, um Strafbegünstigungen zu erhalten.
Neue Strategie der Cosa Nostra
Alle großen Zeitungen des Landes berichteten am Mittwoch auf den Titelseiten von der Festnahme des "Phantoms der Mafia": Provenzano sei der Hauptvertreter einer neuen Strategie der Cosa Nostra gewesen - "minimale Sichtbarkeit, maximale Geschäftstätigkeit", schrieb der römische "Messaggero".
Auch der siebenmalige Regierungschef Giulio Andreotti, der nach einem fast zehnjährigen Verfahren vom Vorwurf der Mafia-Zugehörigkeit freigesprochen worden war, bezeichnete Provenzanos Verhaftung als Erfolg des italienischen Staates.
"Mafia unmöglich zu besiegen"
"Provenzano war in der Vergangenheit bestimmt die Nummer eins der Mafia. Jetzt sind wahrscheinlich jüngere Generationen an der Macht. Die Macht der Mafia dauert seit Jahrhunderten. Es muss eine neue Phase beginnen, doch die Mafia ganz zu besiegen ist wahrscheinlich unmöglich", so Andreotti.
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