Die zweite Karriere des deutschen Ex-Kanzlers Gerhard Schröder (SPD) kann sich blicken lassen. Dass er zu seinem früheren Beruf als Rechtsanwalt zurückkehrt, galt von Anfang als ausgeschlossen. Vielmehr gabelt der Altkanzler emsig einen Job nach dem anderen auf.
Nun machte Schröder wahr, was ihm Kritiker im Vorfeld der Entscheidung bereits vehement vorwarfen: Seit Donnerstag fungiert er als Aufsichtsratschef des deutsch-russischen Konsortiums für den Bau der Gaspipeline durch die Ostsee (Nordeuropäische Gaspipeline/NEGP), die ab 2010 Gas von Sibirien nach Deutschland pumpen soll.
250.000 Euro im Jahr
51 Prozent der umstrittenen Pipeline gehören dem russischen Staatskonzern Gasprom, der Rest BASF und E.ON. Als "Aufwandsentschädigung" erhält Schröder 250.000 Euro pro Jahr.
Damit liegt die Vergütung deutlich niedriger als in Presseberichten spekuliert. Allerdings sticht der Altkanzler viele Aufsichtsratschefs der 30 größten deutschen Konzerne im Aktienindex DAX aus.
Als Kanzler in die Wege geleitet
Als Kanzler hatte Schröder das Geschäft gemeinsam mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin politisch in die Wege geleitet. Deshalb hagelte es in Deutschland parteiübergreifend Kritik. Die Unterstützung könnte indes noch weiter gegangen sein als bisher bekannt.
Laut einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" (Samstag-Ausgabe) hat die frühere deutsche Regierung wenige Wochen vor ihrem Amtsende noch die Bürgschaft für einen Kredit von Gasprom in der Höhe von einer Milliarde Euro übernommen.
Beraterverträge zum "Drüberstreuen"
Der neue Job bei der Ostsee-Pipeline ist jedoch keineswegs die einzige Aufgabe, die Schröder inzwischen akquiriert hat. Der Ex-Kanzler berät auch die Investmentbank Rothschild und den Schweizer Ringier-Verlag.
Der Mann für den Osten
Schröder wird eines von zehn Mitgliedern im Europäischen Beirat des international agierenden Bankhauses, wie Rothschild kürzlich in London bekannt gab. Er solle das Unternehmen bei der Entwicklung seines Geschäfts auf Wachstumsmärkten wie Osteuropa, Russland, dem Mittleren Osten sowie China beraten, nicht aber bei seinen Deutschland-Aktivitäten.
Investmentbanken verdienen ihr Geld auch mittels Hedgefonds, die die SPD im Bundestagswahlkampf 2005 für einen allmählichen Ausverkauf der deutschen Wirtschaft einschließlich des Verlustes Tausender Arbeitsplätze verantwortlich gemacht hatte.
"Weniger lukrativ"
Der Posten werde für Schröder finanziell weniger lukrativ sein als die Positionen bei der Pipeline-Gesellschaft, beim Ringier-Verlag oder als seine Auftritte als Redner, ließ die Bank verlauten.
Häufig würden Beiratspositionen in Banken mit einem mittleren fünfstelligen Honorar pro Jahr vergütet. Schröder werde lediglich an zwei oder drei Beiratssitzungen im Jahr teilnehmen.
Auf Clintons Spuren
Wie zahlreiche andere Ex-Politiker - allen voran Bill Clinton und Jimmy Carter - lässt sich Schröder außerdem von der amerikanischen Agentur Harry Walker weltweit als Gastredner vermitteln - zuletzt unter anderem bei der österreichischen Investmentgesellschaft Superfund in der Wiener Hofburg.
Die Gagen bei Harry Walker sollen laut einem Bericht der "Bild"-Zeitung im Dezember bis zu 250.000 US-Dollar (210.810 Euro) betragen. Schröders Honorar könnte nach Schätzung von Insidern zwischen 50.000 und 100.000 Dollar (rund 42.000 bis 84.000 Euro) liegen, hieß es.
"Sonderbeobachter" in Weißrussland?
Der grüne Europaabgeordnete Daniel Cohn-Bendit schlug Schröder kürzlich außerdem als EU-Sondervermittler für Weißrussland vor. Die EU könne Schröder als "Sonderbeobachter" einsetzen, um den weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko zu isolieren.
Ob er dazu noch Zeit finden wird, ist fraglich. Denn im Herbst will Schröder seine politische Autobiografie auf den Markt bringen.
Vermächtnis auf 500 Seiten
Sie erscheint im Oktober beim Hamburger Verlag Hoffmann und Campe. Der Verlag setzte sich damit gegen eine Vielzahl von Mitbewerbern durch, die Schröder Veröffentlichungsangebote gemacht hatten.
Schröders politisches Vermächtnis werde rund 500 Seiten umfassen und "den Historikern wertvolle Hinweise auf sieben entscheidende Jahre der Berliner Republik geben", kündigte der Verlag an.
"Lebendes Beispiel für Chancengleichheit"
Der Ex-Regierungschef könne "als lebendes Beispiel für Chancengleichheit gesehen werden: Aus bescheidenen Verhältnissen diente er sich über Lehre und zweiten Bildungsweg bis ins höchste deutsche Regierungsamt".
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