Mehr als zehn Jahre nach Auffliegen der ersten Karibik-Affäre der Gewerkschaftsbank wurde die BAWAG wieder von den Schatten der Vergangenheit eingeholt. Spektakulärer als je zuvor.
Denn vor sechs Jahren - im Jahr 2000 - stand die Bank am Rande der Insolvenz und konnte nur dank einer Garantie vom Hauptaktionär ÖGB einen uneinbringlichen Verlust von fast einer Milliarde Euro abdecken. Der Verlust ist fast komplett abgeschrieben, die Haftung wurde nie schlagend. Einbekannt wurde die damalige brenzlige Situation erst am Freitag.
Alles begann 1988
Zu einem guten Teil war für die Turbulenzen der Sohn des einstigen Generaldirektors, der US-Banker Wolfgang Flöttl, verantwortlich. Begonnen hatte alles 1988.
Sechs Jahre nach Start des Engagements musste sich die BAWAG im Mai 1994 allerdings wieder aus den umstrittenen (karibischen) Sondergeschäften zurückziehen.
Riskante Geschäfte in Steueroasen
Der Vorwurf: "Vater-Sohn-Geschäfte", Partner der Bank ist Flöttl junior, Sohn des BAWAG-Generaldirektors Walter Flöttl, der mit BAWAG-Geldern in (Schilling-)Milliardenhöhe riskante Geschäfte über Firmen in Steueroasen betrieben haben soll.
Die BAWAG habe Flöttl jun. trotz fortgesetzter Verluste immer wieder zusätzliche Geldmittel zur Veranlagung übertragen, wie das Nachrichtenmagazin "profil" in seiner jüngsten Ausgabe berichtet. Auch wurden die strittigen Geschäfte im Herbst 1995 unter dem neuen Generaldirektor Helmut Elsner wieder aufgenommen.
Zusammenarbeit mit Refco
Die BAWAG gründet im Oktober 1998 Clearing-Joint-Venture mit dem US-Broker Refco (50:50) für Handel in europäischen Terminbörsen.
Im Mai 1999 steigt die BAWAG schließlich mit zehn Prozent beim US-Finanzhaus Refco ein.
Hunderte Millionen sind weg
Im Herbst 2000 verspekuliert sich Flöttl jun. mit Asien-Swaps über mehrere hundert Millionen Euro. Die BAWAG sitzt auf einer uneinbringlichen Verlustsumme von knapp einer Milliarde Euro und hat ein Bilanzierungsproblem.
Innerhalb weniger Wochen war das gesamte eingesetzte Kapital verloren, wie die BAWAG laut "profil" in einer Mitteilung an die Finanzmarktaufsicht (FMA) festhält: "Es trat ein Totalverlust der Gelder ein."
Der ÖGB springt ein
Der ÖGB muss mit einer Garantie beispringen. Erst dann gibt es das fürs Bankgeschäft unerlässliche Wirtschaftsprüfertestat (Bestätigungsvermerk). Im Bank-Aufsichtsrat weiß nur der Präsident davon.
Vorwürfe an Refco-Chef
Die BAWAG verkauft im Juni 2004 dann ihre Refco-Beteiligung an das US-Investmenthaus Thomas Lee Partners, Preis laut Medienberichten 220 Mio. Dollar.
Anfang Oktober 2005 wird Refco-Chef Philip Bennett (laut späteren WSJ-Bericht) von den Refco-Gremien mit dem Vorwurf konfrontiert, 430 Mio. Dollar (359 Mio. Euro) an faulen Krediten vor dem Unternehmen verschleiert zu haben.
Kreditberatungen an einem Sonntag
Am 9. Oktober, einem Sonntag, erfolgen Vorstandsberatungen in der BAWAG in Wien zu der Kreditvergabe an Bennet.
Einen Tag später wird der BAWAG-Kredit ausbezahlt. Kurz danach gibt Refco offiziell die Freistellung von Vorstandschef Bennett bekannt. Refco-Bilanzen seit 2002 seien nicht verlässlich. Der Aktienkurs bricht auf 15,60 Dollar ein - die Folge: 1,65 Mrd. Dollar Verlust an der Börse.
Bennet wird verhaftet
Bennett wird wenige Tage später wegen Verdachts auf Wertpapierbetrug vorübergehend verhaftet. Der Aktienkurs stürzt weiter ab.
Am 16. Oktober räumt die BAWAG P.S.K. ein, durch Kreditlinien von 425 Mio. Euro betroffen zu sein. Vorsorge für "praktisch auszuschließende Maximalbelastung" wurde getroffen.
Hiobsbotschaft
Die New Yorker Börse nimmt am 18. Oktober Refco rund zwei Monate nach dem Börsengang vom Kurszettel. Abends dann die Nachricht: Refco-Gruppe insolvent, unter Gläubigerschutz nach Chapter 11.
BAWAG wird überprüft
Die FMA zieht eine Sonderprüfung der BAWAG ab 21. Oktober vor. Eine An-Ort-und-Stelle-Prüfung findet ab 21. Oktober statt. Alle Großkreditvergaben (insbesondere Refco) werden behördlich durchleuchtet.
Die BAWAG P.S.K. klagt Mitte November Refco und Phillipp Bennett. Vorwürfe: Betrug, Bereicherung, Irreführung. Die Bank verlangt die Rückzahlung einer Kreditsumme von 350 Mio. Euro. Auch die Staatsanwaltschaft ist bereits eingeschaltet.
Nowotny neuer BAWAG-Chef
BAWAG-Chef Johann Zwettler erklärt überraschend seinen Rücktritt per Jahresende und Professor Ewald Nowotny wird vom Aufsichtsrat zum neuen BAWAG-Generaldirektor ab 1. Jänner bestellt. Die Amtsperiode des Zwettler-Nachfolgers soll bis Frühjahr 2008 dauern.
Knalleffekt: Verluste werden bekannt
Am Freitag erfolgte dann der Knalleffekt: BAWAG-Aufsichtsratspräsident Günter Weninger gab bekannt, dass die Bank Ende 2000 hohe Verluste durch die Karibik-Geschäfte hatte, der ÖGB habe daher Haftungen übernommen. Weninger will nach Auslaufen seiner Amtsperiode Anfang April nicht mehr kandidieren.
Mit knapp einer Milliarde Euro beziffert BAWAG-Chef Nowotny den "ehemaligen Verlust", den die BAWAG u. a. durch damalige Spekulationsgeschäfte und Finanzierungen erlitten hatte.
Verzetnitsch: "Schwere Entscheidung"
Zu einem guten Teil sei dafür der Sohn des einstigen Generaldirektors, der US-Banker Wolfgang Flöttl, verantwortlich. Aus der Refco-Kreditaffäre verbleibt der Bank für die Bilanz 2005 ein Wertberichtigungsbedarf von 392 Mio. Euro. 120 Millionen der einstigen Garantie des ÖGB sind noch offen.
ÖGB-Chef Verzetnitsch verteidigt die damalige "schwere Entscheidung", die Haftung für die BAWAG zu übernehmen.
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