Mehr als sechzig Menschen soll er eigenhändig ermordet haben, aber Jorge Rafael Videla bereut nichts.
Der störrische alte Mann, der seinen Lebensabend in Argentinien unter Hausarrest verbringt, war einst einer der gefürchtetsten Diktatoren Lateinamerikas.
An der Spitze der argentinischen Militärjunta, welche die Peron-Witwe Maria Estela ("Isabel") gestürzt hatte, war er Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre einer der Hauptverantwortlichen des "Schmutzigen Krieges", in dessen Verlauf Zehntausende verschleppt, gefoltert und ermordet wurden.
Deutschland beantragte Auslieferung
Mehr als ein Vierteljahrhundert nach den Verbrechen holte den heute 80-Jährigen von unerwarteter Seite die Geschichte ein: Als erstes Land beantragte die Bundesrepublik Deutschland 2003 seine Auslieferung.
Die deutsche Justiz macht Videla und zwei weitere Junta-Generäle für die Ermordung der Tübinger Soziologin Elisabeth Käsemann und des Münchner Studenten Manfred Zieschank verantwortlich.
Wegen 66 Morden verurteilt
In seinem eigenen Land war der Ex-Diktator 1985 zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass Videla persönlich 66 Menschen tötete und für die Entführung und Folterung Hunderter weiterer verantwortlich war.
Von Menem begnadigt
Nur wenige Jahre saß der der frühere General im Gefängnis, dann wurde er 1990 vom damaligen peronistischen Präsidenten Carlos Menem begnadigt.
Seit 1998 steht er wegen eines anderen Verfahrens unter Hausarrest - das Gefängnis bleibt ihm wegen seines hohen Alters aber erspart.
"Habe alles gewusst"
Wenn sich der hagere Mann mit der eckigen Brille und dem grauen Schnauzbart öffentlich äußert, dann voller Verachtung für diejenigen, die ihn für seine Taten belangen wollen.
In dem Buch "Der Diktator" wird Videla mit den Worten zitiert, er habe über die Vorgänge während der Militärdiktatur "alles gewusst". Die Machtausübung habe ihm keine Probleme bereitet.
"Es müssen so viele Menschen wie nötig sterben"
Er sah und sieht sich selbst als professioneller Militär, der seine Pflicht im Kampf gegen den Terrorismus erfüllte.
"Es müssen so viele Menschen wie nötig in Argentinien sterben, damit das Land wieder sicher ist", so Videla kurz vor dem Putsch.
"Es gab keine andere Lösung"
Zum systematischen Verschwinden politischer Gegner und Andersdenkender sagte er: "Es gab keine andere Lösung. Darin waren wir uns alle einig".
Videla forderte sogar Entschädigung und "moralische Wiedergutmachung" wegen der gegen ihn erhobenen Anschuldigungen.
Anzeige von Angehörigen
Der Arm der deutschen Justiz erreichte ihn 2004, als Argentinien die Nürnberger Haftbefehle gegen ihn sowie den früheren Admiral Emilio Massera und den Ex-General Carlos Guillermo Suarez Mason vollstreckte.
Das Verfahren geht auf eine Anzeige von Angehörigen der Opfer aus dem Jahr 1998 zurück.
Aus Wohnung verschleppt und erschossen
Die 29-jährige Käsemann, die seit längerer Zeit in Buenos Aires lebte und dort die Arbeitskämpfe in ihrem Stadtteil unterstützte, war nach den Erkenntnissen der Nürnberger Staatsanwaltschaft im März 1977 aus ihrer Wohnung in Buenos Aires verschleppt und zwei Monate später erschossen worden.
Auf Befehl stranguliert
Der 24-jährige Zieschank, der sich zu einem Praktikum in Argentinien aufhielt, verschwand im März 1976.
Die Staatsanwaltschaft nimmt an, dass er auf Befehl des im vergangenen Jahr gestorbenen Suarez Mason stranguliert und dann von einem Flugzeug über dem Rio de la Plata abgeworfen wurde - eine unter den Militärs übliche Methode, um Leichen verschwinden zu lassen.
System von Schrecken und Terror
Videla putschte sich vor 30 Jahren, am 24. März 1976, an die Macht und stand bis 1981 an der Spitze der Militärjunta in Buenos Aires.
Das Verschwindenlassen von Arbeitern, Gewerkschaftern und anderen "subversiven Elementen" hatte System und sollte Schrecken und Terror verbreiten.
Auslieferungsgesuch abgewiesen
Dass Videla je in Deutschland der Prozess gemacht wird, ist jedoch wenig wahrscheinlich. Im vergangenen Jahr wies das zuständige argentinische Gericht das Auslieferungsgesuch der deutschen Bundesregierung ab.
Dagegen legte Berlin Rechtsmittel ein. Der Fall ist nun vor dem Obersten Gerichtshof anhängig.
Josefa Suarez, AFP