"In die Niederlande kommen"

Einwanderertest sorgt für Sprengstoff in deutscher Koalition.

  Wer in die Niederlande einwandern will, muss sich seit Mittwoch einem obligaten Test noch vor der Einreise stellen.

Themen dabei sind nicht nur Sprache und Wissen über Land und Geschichte. Die Bewerber müssen auch ihre Bereitschaft zu Toleranz - auf groteske Weise - unter Beweis stellen.

Verpflichtender Info-Spot

Verpflichtender Teil des "Holländer-Tests" auf Initiative der niederländischen Ministerin für Integration, Rita Verdonk, ist nämlich ein 105 Minuten langer Film mit dem Titel "In die Niederlande kommen", der auch die Themen Körper und Sex explizit anspricht.

Küssende Schwule, Baden oben ohne

Einmal zoomt die Kamera in dem Spot auf Männer, die einander küssen, ein anderes Mal läuft da eine Frau oben ohne über einen Strand.

Sinn des Films sei es klarzustellen, ob sich Einwanderer auch wirklich mit dem Leben in der liberalen niederländischen Gesellschaft anfreunden können, heißt es sinngemäß auf der niederländischen Website für Immigrationswillige.

"Einige Dinge" selbstverständlich

"Der Film zeigt ihnen, wie Menschen in den Niederlanden leben. (...) Sie erhalten Informationen über das Leben in den Niederlanden und die holländische Gesellschaft, die Politik, Arbeitswelt und Gesundheitsversorgung", so die Einleitung zu dem Spot.

"Einige Dinge, die in den Niederlanden normal und akzeptiert sind, sind in anderen Ländern verboten. Zum Beispiel ist es Frauen in den Niederlanden erlaubt, leicht bekleidet zu baden. Menschen genießen die Freiheit, offen zu zeigen, dass sie homosexuell sind. Der Film zeigt auch das", lautet die "Warnung" an den künftigen Neo-Niederländer.

Auch "entschärfte" Version

Mit Blick auf die Gesetzeslage etwa im Iran wurde allerdings auch eine "entschärfte" Version des Videos hergestellt, wie der Filmemacher Walter Goverde erklärt.

Dabei fehlt die Darstellung von Nacktheit und offensichtlicher Homosexualität, da der Besitz solcher Bilder in manchen Staaten unter Strafe steht.

Deutschland schielt zum Nachbarn

Durchaus angetan von der Initiative zum "Holländer-Test" im Allgemeinen hatte sich zuletzt der deutsche Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) gezeigt.

"Wir können hier von den Niederlanden lernen", zitierte der "Spiegel" den Minister Mitte der Woche. "Das ist im Prinzip das, was wir auch verwirklichen wollen und verwirklichen werden." In Deutschland sorgen die umstrittenen Einwanderungstest in Baden-Württemberg ("Moslem-Tests") und Hessen derzeit für heftige Debatten.

"Lebenswirklichkeit Deutschlands"

Auch zum Kapitel "Nackt-Test" in den Niederlanden zitiert die deutsche "Bild"-Zeitung Schäuble nun zustimmend: "Wer so etwas nicht sehen will, sollte nicht in dieses Land gehen", meint der Minister.

Schäubles Fraktionskollege Reinhard Grindel findet die Idee auch für Deutschland praktikabel: "Zur Integration gehören nicht nur Deutschkurse, sondern auch die ganze Lebenswirklichkeit unseres Landes. Das sollte schon vor der Einreise vermittelt werden."

Streit in deutscher Koalition

Wenige Tage vor den drei Landtagswahlen am 26. März wird der Ton im Streit über einen Einbürgerungstest für Ausländer zunehmend schärfer. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) drohte mit einem Alleingang, falls ein bundeseinheitlicher Test am Widerstand der SPD-Länder scheitern sollte.

Es gehe nicht an, dass die SPD in dieser Frage eine einheitliche Linie blockiere, sagte er am Montag. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) dringt auf eine bundeseinheitliche Regelung zur Einbürgerung. Die SPD bleibt bei ihrem Nein zu einem Fragebogen wie in Hessen.

Merkel sagte, die Einführung von Einbürgerungstests sei "im Grundsatz" richtig. Es müsse nun über verschiedene Vorschläge beraten werden.

Kritiker: "Radikale Ideen"

In den Niederlanden wird unterdessen die Kritik an der Gewissensprüfung für Immigranten lauter.

"Heute ist ein schwarzer Tag für alle, die ihre Lebensgefährten nach Holland holen wollen", so die Organisation Buitenlandse Partner, die sich für gemischtkulturelle Paare einsetzt.

Der Theologe Karel Steenbrink von der Universität Utrecht warf Ministerin Verdonk "radikale Ideen" vor. Der Film könne die religiösen Gefühle von Moslems verletzen und sei "kein kluger Weg, Menschen in den Niederlanden willkommen zu heißen".

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