Mehr als eine Million Menschen sind am Samstag nach Gewerkschaftsangaben bei einem landesweiten Protesttag in Frankreich gegen die Lockerung des Kündigungsschutzes bei Berufseinsteigern auf die Straße gegangen.
Die Gewerkschaft CFDT gab die Zahl der Demonstranten beim dritten nationalen Protesttag binnen weniger Wochen gegen die Arbeitsmarktreform mit rund 1,5 Millionen an.
Laut Innenministerium waren etwas mehr als eine halbe Million auf den Beinen, um an landesweit mehr als 150 Kundgebungen teilzunehmen. Es kam zu größeren Zwischenfällen in Paris.
Randale auch in Lille, Bourdeux und Marseille
Zusammenstöße der Polizei mit kleineren Gruppen von Krawallmachern gab es nach den Kundgebungen unter anderem auch in Lille, Bordeaux, Marseille sowie Clermont-Ferrand und Grenoble. Es kam zu Dutzenden von Festnahmen.
Paris als Brennpunkt
Vor allen im Paris kam es nach der Kundgebung zu Übergriffen. Am Platz der Nation in Paris warfen Jugendliche Flaschen und Steine auf die Einsatzkräfte der Polizei.
Polizei ging mit Tränengas vor
Vier Polizisten und zwölf Demonstranten wurden verletzt. Geschäftsvitrinen gingen im Südosten der Stadt zu Bruch, ein Auto stand in Flammen und die Polizei versuchte, mehrere hundert Demonstranten mit Tränengas abzudrängen. 28 Personen wurden nach Polizeiangaben festgenommen.
In Lille wurde die Polizei mit Eiern und Pflastersteinen beworfen. An den Ausschreitungen waren etwa 200 Demonstranten beteiligt. Es gabe mehrere Festnahmen. Die Polizei setzte ebenfalls Tränengas ein.
Spezialeinheiten im Einsatz
Die Proteste begannen am Samstag friedlich. In Paris zogen die Demonstranten unter starkem Polizeiaufgebot vom Platz Denfert-Rochereau über die Seine zum Platz der Nation. Nach Angaben des Innenministeriums beteiligten in der französischen Hauptstadt etwa 80.000 Menschen an dem Marsch.
Die Gewerkschaften sprachen von 350.000 Teilnehmern. Aus Angst vor erneuter Randale waren Mülleimer und Metallgitter entfernt worden; ganze Busse mit Kräften der Anti-Aufruhr-Einheiten waren aufgefahren.
Straßenschlachten in den Nächten davor
In den vergangenen Nächten hatte es mehrfach gewalttätige Zusammenstöße zwischen Demonstranten aus der links- und rechtsextremen Szene und Sicherheitskräften gegeben.
Vor allem im Quartier Latin lieferten sie sich regelrechte Straßenschlachten; die Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer ein. Zahlreiche Menschen wurden verletzt, dutzende festgenommen.
"Chirac, Villepin, eure Probezeit ist um"
Im südfranzösischen Toulouse protestierten am Samstag nach Angaben der Organisatoren etwa 45.000, die Polizei sprach von 21.000 Teilnehmern. Neben Studenten und Schülern nahmen auch zahlreiche Gewerkschafter und Eltern an dem Marsch durch die Innenstadt teil.
"Chirac, Villepin, eure Probezeit ist um", hieß es auf den Transparenten. In Marseille protestierten laut Gewerkschaften 130.000 Menschen, laut Präfektur 10.000. In Rennes in der Bretagne gingen nach Angaben der Organisatoren mindestens 35.000, nach Polizeiangaben 15.000 Menschen auf die Straßen.
Auch Sozialistenchef ging mit
Demonstrationen mit jeweils mehreren tausend Teilnehmern gab es unter anderem auch in Lyon, Poitiers, Albi, Perpignan, Roanne, Boulogne-sur-Mer und Nevers. Bei einer Kundgebung in Tulle im Zentralmassiv marschierte Sozialistenchef Francois Hollande mit.
"Protest der ganzen Gesellschaft"
"Wir können heute sehen, dass die Mobilisierung stärker ist denn je", sagte der Präsident des Studentenverbandes Unef, Bruno Julliard.
"Entweder die Regierung hört auf die Stimme der Vernunft und zieht den Erstanstellungsvertrag (CPE) zurück oder sie wird nächste Woche dazu gezwungen sein - denn dann werden wir wieder auf die Straße gehen", warnte Julliard. Eine Studenten-Sprecherin äußerte sich begeistert über den "Protest der ganzen Gesellschaft".
Villepin: Uni-Besetzung beenden
Premierminister Dominique de Villepin rief die Studenten dazu auf, die Besetzung der Universitäten zu beenden.
"Wir wollen, dass die Studenten sich wieder ernsthaft auf ihre Prüfungen vorbereiten können und die Freiheit haben zu studieren", sagte Villepin am Freitagabend nach einem Treffen mit einer Delegation der Hochschulrektorenkonferenz in Paris.
Rektoren für "bedeutsame Geste"
Die Rektoren forderten eine Aussetzung des umstrittenen Gesetzes zur Lockerung des Kündigungsschutzes bei Erstanstellungen.
Nötig sei eine sechsmonatige Bedenkzeit, sagte Rektor Yannick Vallee. Villepin habe auf ihn den Eindruck gemacht, zu einer "bedeutsamen Geste" bereit zu sein.
Lockerung des Kündigungsschutzes
Die Proteste und Streiks an den Universitäten richten sich gegen die Aufhebung des Kündigungsschutzes für Berufseinsteiger bis 26 Jahren.
Nach den Plänen der Regierung kann diesen künftig während einer zweijährigen Probezeit ohne Angabe von Gründen gekündigt werden. In Frankreich sind überdurchschnittlich viele junge Leute arbeitslos.
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