Anhänger und Gegner machen mobil

Gegendemonstration zu Trauerfeiern für Milosevic.

  Schon seit mehr als fünf Jahren war Slobodan Milosevic nicht mehr an der Macht. Doch sein Schatten reichte aus dem UNO-Gefängnis in Den Haag, wo der jugoslawische Ex-Präsident wegen Kriegsverbrechen angeklagt war, bis in seine Heimat. Bis heute verehren ihn serbische Nationalisten glühend.

Auch Gegner mobilisieren

Zehntausende versammelten sich am Samstag in Belgrad und erwiesen ihrem Idol die letzte Ehre. Um den Ewiggestrigen etwas entgegenzusetzen, riefen Milosevic-Gegner zu einer Versammlung ebenfalls in der serbischen Hauptstadt auf.

Sie wollten der Welt zeigen, dass es Menschen in Serbien gibt, die sich an die Verbrechen Milosevics erinnern, sagt einer von ihnen.

T-Shirt mit Karadzic und Mladic

Milosevic spaltet die Serben auch nach seinem Tod: Für die einen ist er ein Held, vom Westen ermordet. Für die anderen steht er für Krieg, Blut und Schrecken. Der Tod des 64-Jährigen, der einen Herzinfarkt erlitt, sei der Beweis dafür, dass das UNO-Tribunal "gegen die Serben" sei, sagt ein Mann in den Dreißigern. Er ist mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter nach Belgrad gekommen, um den Sarg Milosevics zu sehen.

Alle drei tragen T-Shirts mit den Fotos der meistgesuchten mutmaßlichen Kriegsverbrecher Europas, dem bosnischen Serbenführer Radovan Karadzic und seinem Armeechef Ratko Mladic. Wenn das Haager Tribunal die Angeklagten nicht verurteilen könne, töte es sie eben, fährt der Familienvater fort.

Organisierte Busfahrten

Auch andere Anhänger des einstigen Staatschefs, die aus allen Landesteilen gekommen sind, halten Fotos von Karadzic und Mladic in die Höhe.

Vielerorts hat Milosevics Sozialistische Partei (SPS) die Anreise mit Bussen und Zügen organisiert. Ein Demonstrant, der aus Ruma westlich von Belgrad gekommen ist, sagt, jeder aus seiner Gruppe habe umgerechnet acht Euro, Sandwiches und eine Flasche Wasser erhalten.

"Slobodan lebt"

Nachdem der Sarg zwei Tage lang im Museum der Revolution aufgebahrt war, wurde er am Samstag vor dem Parlament aufgestellt - ausgerechnet an dem Ort, der den Sturz Milosevics symbolisiert. Seine Verehrer stört das wenig. "Slobodan lebt! Er ist nicht tot, solange es Serben und Serbien gibt", ruft ein führender SPS-Funktionär.

"Mörder", schreien die rund 50.000 Demonstranten in Anspielung auf das UNO-Tribunal. Eine Frau berichtet, sie habe seit dem Tod Milosevics vor einer Woche nicht mehr aufgehört zu weinen.

"Zwei Zivilisationen"

Gegen die von den Sozialisten aufgebotenen Massen haben es Milosevics Kritiker nicht leicht, sich Gehör zu verschaffen. Per SMS riefen sie zu einer Gegenkundgebung am Samstag auf.

Mit Luftballons als Erkennungszeichen sollten die Demonstranten auf einem Belgrader Platz zusammenkommen. "Es gibt nicht nur zwei Serbien, sondern zwei weit von einander entfernte Zivilisationen", beschreibt die Werbetexterin Janja Trajkovic die beiden Lager.

"Zeigen, was wir von ihnen halten"

Die Idee für die Gegendemonstration kam auf, als etwa zwei Dutzend Mitglieder eines Internet-Forums des privaten Radiosenders B-92 eine sarkastische Todesanzeige für Milosevic in der Tageszeitung "Politika" aufgaben, in der sie an die Balkankriege, das Massaker von Srebrenica, die Panzer in den Straßen von Belgrad und den Kosovokonflikt erinnerten.

Der Gruppe schlossen sich alte Gegner Milosevics aus verschiedenen Nicht-Regierungsorganisationen an. "Lasst uns alle ein letztes Mal auf die Straße gehen, um zu zeigen, was wir von ihnen (den Milosevic-Anhängern) halten. Es braucht nicht organisiert zu werden, es soll nur eine Versammlung von Bürgern sein, die über die Reinwaschung der Biografie dieses Monsters verbittert sind", lautet einer der Internet-Einträge.

Der "letzte Protest"

Der 27-jährige Student Marjan Milosavljevic hat 30 Luftballons gekauft. Einige davon seien für seine Freunde, die vor Milosevic aus dem Land geflohen seien, sagt er. Sie wollten die Kundgebung aus der Ferne unterstützen. "Das wird unser letzter Protest sein und unsere letzte Botschaft an diesen Unmenschen."

Aleksandra Niksic, AFP

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