Mittel hob andere Medikamente auf

Milosevic nahm Medikamente, die ihm schadeten.

  Der vor zwei Tagen gestorbene frühere jugoslawische Präsident Slobodan Milosevic hat nach Angaben von Medizinern eigenmächtig ein Medikament eingenommen, das die Wirkung der ihm verschriebenen Mittel gegen Bluthochdruck aufhob.

Das teilte der niederländische Toxikologe Ronald Uges am Montag nach der Analyse einer vor zwei Wochen entnommenen Blutprobe des Verstorbenen mit.

Ein "einfacher Fahrschein" nach Moskau?

Möglicherweise habe sich Milosevic auf diese Weise einen "einfachen Fahrschein nach Moskau" erhofft, wo er sich gegen seine Herzkrankheit behandeln lassen wollte, so Uges.

Laut vorläufigen Ergebnissen der Autopsie starb der ehemalige Staatschef an einem Herzinfarkt.

Bisher konnten aber weder Selbstmord noch eine Vergiftung als Todesursache ganz ausgeschlossen werden. Die Ermittlung der genauen Todesursache soll noch mehrere Tage in Anspruch nehmen.

Milosevic: Verbot von Moskau-Reise

Milosevic musste sich seit 2002 wegen Kriegsverbrechen vor dem UNO-Tribunal (ICTY) in Den Haag verantworten und war im Gefängnis des Tribunals inhaftiert. Er hatte einen Antrag gestellt, ihm zur Behandlung seiner Herz- und Blutdruckkrankheit eine Reise nach Moskau zu gestatten.

Das Gericht hatte den Antrag aber aus Sorge, Milosevic könnte nicht mehr nach Den Haag zurückkehren, abgelehnt.

Auch Bruder mit Herzproblemen

Der ältere Bruder von Milosevic, Borislav Milosevic, leidet mittlerweile auch unter Herzproblemen und wurde in ein Moskauer Krankenhaus eingeliefert.

Borislav Milosevic hatte am Sonntagabend gegenüber dem serbischen staatlichen TV-Sender RTS noch erklärt, er werde nicht persönlich nach Den Haag reisen, um dort den Leichnam seines jüngeren Bruders zu übernehmen. Das würden Ärzte der Moskauer Bakuljew-Klinik tun, präzisierte er.

Borislav Milosevic sprach sich gegenüber RTS gleichzeitig für ein Begräbnis Slobodan Milosevics in Serbien-Montenegro aus. Er würde diesbezüglich allerdings die Wünsche anderer engster Familienangehörigen respektieren, so der einstige jugoslawische Botschafter in Moskau.

Beisetzung in Belgrad

Die Frage der Beerdigung sorgte bereits für Spannungen in Serbien. Der Anwalt von Milosevic, Zdenko Tomanovic, gab am Montag bekannt, dass das ehemalige Staatsoberhaupt in Belgrad beigesetzt werde.

Tomanovic erklärte in Den Haag weiter, Milosevics Sohn Marko werde die sterblichen Überreste seines Vaters am Montag oder Dienstag in Empfang nehmen. Das entspreche dem Wunsch der Familie. Zuvor waren auch Russland und Montenegro als mögliche Orte für die Beisetzung genannt worden.

Haftbefehl für Mira Markovic außer Kraft

Die Belgrader Kreisstaatsanwaltschaft hat am Montag der Außerkraftsetzung eines Haftbefehls für die Ehefrau des verstorbenen früheren jugoslawischen Präsidenten, Slobodan Milosevic, zugestimmt - das meldete der Sender B-92 unter Berufung auf die stellvertretende Kreisstaatsanwältin Mira Ilic.

Das bedeutet, dass Mira Markovic, die seit drei Jahren im Moskau lebt, um einem gerichtlichen Prozess, der in Belgrad gegen sie wegen Amtsmissbrauches geführt wird, auszuweichen, ins Land zurückkehren könnte, um dem Begräbnis ihres Mannes beizuwohnen. Zuvor hatte Serbiens Präsident Boris Tadic noch gemeint, man werde ihr die Rückkehr in die Heimat nicht erlauben.

Reisepass soll entzogen werden

Der Belgrader Sender meldete, dass man der JUL-Führerin gleich nach der Einreise ihren Reisepass entziehen würde, um sie zu zwingen, gerichtlichen Vorladungen nach dem Begräbnis zu folgen.

Die Anklage gegen Markovic wird jedenfalls nicht rückgängig gemacht, meldeten Medien. Mira Markovic wurde angeklagt, ihren Einfluss genutzt zu haben, um im Frühjahr 1999 dem Kindermädchen ihres Enkels Marko eine Dienstwohnung zu sichern.

Auftrag für Mord an Ex-Präsidenten?

In der Öffentlichkeit wurde Markovic wiederholt als Auftraggeberin der Ermordung des früheren Präsidenten Ivan Stambolic genannt. Eine Ermittlung gegen sie in dieser Causa wurde nie durchgeführt. Stambolic wurde im August 2000 ermordet, seine Leiche wurde erst im März 2003 unweit der Vojvodina-Hauptstadt Novi Sad entdeckt.

SPS droht mit Rückzug

Die SPS hatte mit dem Entzug ihrer Unterstützung für die Regierung von Ministerpräsident Vojislav Kostunica gedroht, sollten die Behörden einer Beerdigung in Serbien nicht zustimmen.

Die Sozialisten würden das Parlament verlassen, erklärte SPS-Spitzenfunktionär Milorad Vucelic laut Medienberichten. Die Sozialisten stellen im Parlament 22 von 250 Abgeordneten. Die Regierung kann nur mit deren Stimmen mit Mehrheiten in der Volksvertretung rechnen.

Vucelic, ehemaliger Chef des staatlichen TV-Senders RTS, war in den 90er Jahren einer der engsten Mitarbeiter Milosevics. Regierungsvertreter haben sich zu der Drohung noch nicht geäußert.

Beerdigung spätestens am Freitag

Der Belgrader Sender B-92 meldete unter Berufung auf inoffizielle, gut unterrichtete Kreise, dass die Bestattung von Milosevic am Donnerstag, spätestens am Freitag auf dem zentralen Belgrader Friedhof stattfinden werde.

Milosevic wird weder in der "Allee der Großen" noch mit Staatsehren beigesetzt werden, meldete der Sender. Die serbische Regierung hat soweit nur wissen lassen, dass sie einem Staatsbegräbnis abgeneigt sei.

Milosevic-Tochter Marija, die seit Jahren in Montenegro lebt, wollte ihren Vater im Familiengrab in Montenegro bestatten.

Am Samstag tot aufgefunden

Milosevic war am Samstag in seiner Zelle im Gefängnis des UNO-Kriegsverbrechertribunals im niederländischen Scheveningen tot aufgefunden worden. Nach ersten Ergebnissen einer Obduktion starb er an einem Herzinfarkt.

Der Ex-Präsident war einer der Schlüsselfiguren der Kriege beim Zerfall Jugoslawiens in den 90er Jahren und hatte sich seit 2002 vor dem ICTY wegen Völkermordes, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verantworten.

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