Kitsch vom Fließband | |
Der kommerziell erfolgreichste lebende US-Künstler ist unter Beschuss geraten.
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Als "Maler des Lichts" - ein Markenzeichen, das er sich registrieren ließ - ist er in den ganzen USA bekannt. Seine Werke werden am Fließband in allen denkbaren Ausführungen vervielfältigt, und er gilt als am meisten gesammelter Künstler überhaupt. Doch jetzt ist Schatten auf Thomas Kinkade gefallen. 50 Millionen Dollar Tantiemen Den Vorwurf, dass seine Bilder reiner Kitsch ohne künstlerischen Wert sind, muss er sich schon lang gefallen lassen. Nun steht er wegen angeblich unlauterer Geschäftspraktiken unter Beschuss, berichtet die "Los Angeles Times". Zwischen 1997 und 2005 hat Kinkade 50 Millionen US-Dollar an Tantiemen mit seinen Drucken und lizenzierten Merchandising-Produkten verdient. Seine Motive finden sich auf Stofftieren, Bettwäsche, Regenschirmen und sogar auf Wohnzimmerfauteuils. Kitsch und Romantik Kinkades Bilder zeigen Landhäuser, Leuchttürme und Landschaften, Sonnenuntergänge und Straßenszenen aus einer Welt, die es so nicht gibt: voller Kitsch, Romantik und idealisierter Schönheit. Markantestes stilistisches Merkmal in Kinkades Pastelleskapaden ist das Licht. Häuser scheinen von innen heraus zu strahlen, und ein richtungsloser, sanfter Glanz umhüllt jede Szenerie. "Das ist gottgegebenes Talent", erklärte eine Kinkade-Sammlerin in der "L.A. Times". "Er ist ein moderner Leonardo da Vinci oder Monet. Es gibt niemanden in unserer Generation, der so malen kann." Kinkade für jede Geldbörse Ein neuer Kinkade kommt in etlichen Ausführungen auf den Markt: Simple Drucke auf Papier kann man um ein paar 100 Dollar erwerben. Dann gibt es die "aufgebesserten" Fassungen, bei denen "ausgebildete Spezialisten" in Kinkades Malfabriken oder in seinen Galerien die markanten Stellen der Drucke mit echter Farbe hervorheben. Drucke auf Leinwand, die der Meister selbst retuschiert und signiert hat, können schließlich 10.000 Dollar und mehr kosten. Alle Wände füllen Die Mission ist klar: "Es gibt über 40 Wände in einem durchschnittlichen amerikanischen Eigenheim, und Thom sagt, es ist unsere Aufgabe herauszufinden, wie wir jede einzelne Wand in jedem Haus und in jedem Betrieb mit seinen Bildern füllen können", erklärte Craig Fleming, der Geschäftsführer von Kinkades Firma, 2004 in einem Interview mit dem TV-Sender CBS News. In Kalifornien hat der Maler sogar eine private Wohnsiedlung eröffnet, die zu dem in seinen Bildern dargestellten Lebensstil passen soll. Drei Picassos vor dem Frühstück An der kommerziellen Auswertung sei nichts Verwerfliches, meint Kinkade und verweist auf andere Künstler. "Ich glaube nicht, dass [Picasso] im Lauf der Zeit weiter als der Gigant betrachtet wird, der er jetzt ist", sagte er gegenüber CBS. "Er war ein Mensch mit großem Talent, der - so sehe ich das - vor dem Frühstück drei Picassos schuf, weil er wusste, er konnte 10.000 Dollar für jeden davon bekommen." Imperium für "Kunst-basierte Produkte" Seinen Karriere startete Kinkade Anfang der 80er als Trickfilmzeichner - ausgerechnet im Studio von Ralph Bakshi, der mit politisch unkorrekten Filmen wie "Fritz the Cat" stets für Kontroversen gut war. Vor zwei Jahrzehnten machte sich Kinkade mit ersten Kunstdruck-Versuchen selbstständig. Inzwischen ist sein Unternehmen ein regelrechtes Imperium für, wie der Maler es nennt, "Kunst-basierte Produkte". Landesweites Netzwerk Um seine Werke unters Volk zu bringen, hat Kinkade nach einer Art Franchise-System ein US-weites Filialnetz aufgebaut. Die "Thomas Kinkade Signature Galleries" sind eigenständige Betriebe, die einen Exklusivvertrag mit Kinkade eingehen. Mehrere Galeriebesitzer haben jetzt Klagen gegen den Millionenmaler eingebracht. Den Besitzern von zwei inzwischen gescheiterten Filialen in Virginia hat ein Schiedsgericht jetzt 860.000 Dollar Entschädigung zugesprochen; sie seien von Kinkades Firma betrogen worden. Kinkade will gegen die Entscheidung berufen. Fünf weitere Fälle laufen noch. Aktienkurs gedrückt? Die Vorwürfe: Kinkades früher börsennotiertes Unternehmen, Media Arts Group Inc., setzte jährlich 250 Mio. Dollar um, doch dann stürzte der Aktienkurs ab. Vor zwei Jahren kaufte Kinkade um 32,7 Mio. Dollar alle Aktien zurück und benannte das Unternehmen in Thomas Kinkade Company um. Vor diesem Rückkauf soll Kinkade durch zu viele Galerie-Neugründungen den Markt gezielt übersättigt und so den Aktienkurs gedrückt haben. Informationen vorenthalten Das Gericht war außerdem der Ansicht, dass das Unternehmen den beiden Klägern Informationen vorenthalten habe, die sie womöglich von dem Plan abgehalten hätten, 122.000 Dollar in eine letztlich erfolglose Kinkade-Galerie zu investieren. "Religiöse Atmosphäre" In der Entscheidung heißt es auch, dass Kinkade und seine Mitarbeiter "eine gewisse religiöse Atmosphäre" aufgebaut hätten, um "ein spezielles Vertrauensverhältnis" mit den Galeriegründern zu erwirken. Dabei seien ständig Begriffe wie "Partner", "Vertrauen", "christlich" und "Gott" gefallen, um den Eindruck zu erwecken, es gehe um eine Art "höheren Auftrag". Doch nicht nur Kinkades Geschäftspraktiken sind umstritten. Auch privat soll der Künstler nicht immer dem Image des gottesfürchtigen Familienvaters entsprechen - mehr dazu in "'Das ist für dich, Walt'". Links:
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