Eichingers zweiter Untergang

Von Hitler zu Houellebecq: "Elementarteilchen" werden zum unfreiwilligen Untergang.

  Deutschlands mächtiger Produzent Bernd Eichinger hat wieder einmal gerufen und prompt sind sie alle gekommen.

Die Creme del la Creme der deutschen Schauspielzunft, mit der Ausnahme vielleicht von Heiner Lauterbach, der sich ja gerade durch das Fach Autobiografie ferkelt, wollte dabei sein, als es nach Hitlers "Untergang" um ein neues Stück anrüchiger Filmunterhaltung ging: Michel Houellebecqs "Elementarteilchen", ein Buch, dem auf jeden Fall das Attribut "Skandalroman" anhängt.

Wird das ein Blockbuster?

Ob nun Houellebecq das Zeug zu einem Blockbuster hat wie das Ende von Adolf Hitler, muss dahingestellt bleiben - wenngleich die Antwort eher Nein lautet - obgleich eine Schar deutscher Schauspieler aufmarschiert, über die die Plakate verraten: Sie sind vor allem sehr nackig.

Eichinger und sein Regisseur Oskar Roehler nehmen es mit der Buchvorlage ohnedies nicht so genau. Wichtig ist, dass der Titel sitzt und bei den Lesern noch so einen Hauch von Gänsehaut am Rücken erzeugt. "Elementarteilchen", das klingt zudem einigermaßen grundsätzlich.

Keusch oder geil?

Im Mittelpunkt des Films steht wie im Roman Houellebecqs ein ungleiches Halbbruderpaar. Michael (Christian Ulmen) lebt keusch vor allem für die Wissenschaft, genauer für die Gen- und Klonforschung.

Sein Bruder Bruno, gespielt von Moritz Bleibtreu, ist geradezu Opfer seiner Sexualität; er ejakuliert auf das Schulheft einer Schülerin und ist frustriert von der Zellulitis seiner Frau, die ihn auch nicht mehr in Strapsen auf Touren zu bringen vermag.

Die Mutter ist schuld

In Rückblenden erzählt uns der Film von der Kindheit der beiden, und rasch wird klar: Die Mutter, gespielt von Nina Hoss, ist schuld, dass die Söhne keine normalen Beziehungen leben können.

In diesem Fall ist es nicht Autorität, sondern der Mangel an Autorität, der die heranwachsenden Jugendlichen aus der Bahn wirft (das ist wahrscheinlich der letzte Aspekt Houellebecq in dem Film).

Im Öko-Jacuzzi

Die sozial- und wissenschaftshistorischen Exkurse des Romans spart der Film aus. Dafür präsentiert er eine Überdosis Sex - gruppiert vor allem um Hauptdarsteller Bleibtreu, der nach der richtigen Frau sucht und sie in Gestalt von Martina Gedeck auf einem alternativen FKK-Campingplatz im Öko-Jacuzzi findet.

Michael trifft während der Umbettung des Grabs seiner Mutter auf seine Jugendliebe (gespielt von Franka Potente). Der späten Entjungferung Michaels folgt eine schwere Belastung der Beziehung: Die Welt ist noch nicht das Gen-Paradies von Michel, und so müssen die Menschen an Krankheiten leiden, die sie niederzwingen. Hier laufen die Biografien der beiden Brüder parallel.

Beide werden im Zusammenleben mit den Frauen auf die Probe gestellt - freilich mit unterschiedlichem Ausgang.

Buch nur für den Hauch von Skandal?

Wozu der Film die Romanvorlage gebraucht hat, wird im Verlauf des Streifens immer unklarer. Das Buch bietet eine grobe Handlungsvorgabe, von der man aber auch freizügig abweicht.

Aus einem betont kalt verfassten Roman, dem man ja meist die Abrechung mit der Spaßgesellschaft zuschreibt, wird unter den Händen von Roehler ein Melodram, das noch dazu an einer sehr beliebigen Stelle abreißt.

"Man kann nur Melodramen verfilmen"

"Gesellschaftskritik kann man nicht verfilmen, man kann nur Melodramen verfilmen", meinte Eichinger zu jenen Kritikern, die ihm eine Abweichung vom Buch vorwarfen.

Eichinger will die Massen unterhalten. Daran ist nichts Verwerfliches. Nur muss das Unternehmen stimmig sein. Bei "Elementarteilchen" ist das nicht der Fall. Eichinger denkt derweil über die nächste Buchverfilmung nach: Stefan Austs "Der Baader-Meinhof-Komplex". Für dramatische Musik und einen beeindruckenden Cast wird gesorgt sein.

Gerald Heidegger, ORF.at

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