Einen Tag nach dem Einsturz des Daches einer Messehalle im polnischen Kattowitz mit 62 Toten werden nun schwere Vorwürfe laut. Überlebende und Rettungskräfte aus Deutschland berichten etwa von verschlossenen Notausgängen.
"Die Türen waren de facto zu. Wir hatten das bereits am Freitag festgestellt, als wir aus Versehen durch eine solche Tür raus wollten. Die waren wie zugesperrt. Ob man die Türen von innen irgendwie entriegeln konnte, weiß ich nicht", berichtete Wolfgang Rekowski aus Bad Berleburg (Nordrhein-Westfalen) telefonisch vom Unfallort.
Von Schnee blockiert?
"Ob die zugesperrt waren oder durch die verschobene Statik blockiert waren, weiß ich nicht", sagte der Geschäftsführer des privaten Münchner Rettungsdienstes MKT, Robert Schmitt. Eine Überlebende sagte im polnischen Rundfunk, die Notausgänge seien durch Schnee blockiert gewesen.
Die Sonderkommission, die die schwerste Baukatastrophe in der Geschichte Polens untersuchen soll, warf der Messegesellschaft nach ersten Kontrollen am Unglücksort schwere Versäumnisse vor. Laut den Ermittlungen war eine 50 Zentimeter dicke gefrorene Schneedecke auf dem Hallendach, so Transportminister Jerzy Polaczek.
Die Verantwortlichen hatten betont, das Dach sei regelmäßig vom Schnee befreit worden.
Gelände völlig abgeriegelt
Für Unruhe sorgt auch, dass ausländische Hilfskräfte am Sonntag - lange vor Einstellung der Bergungsarbeiten - rasch wieder nach Hause geschickt wurden. Die polnischen Sicherheitskräfte ließen zudem niemanden in den Messebau hinein.
Das galt auch für die zahlreichen ausländischen Hilfskräfte, die mit schwerem Gerät angereist waren: "Es ist sehr schwer, mit der Einsatzleitung zu kommunizieren", sagte Frank Schultes vom Rettungsdienst USAR Deutschland. "Und es ist sehr schade, wenn man die technischen Mittel nicht ausschöpfen kann."
Der deutsche Rettungsdienst war mit 22 Mann und fünf Hundeteams angereist - und musste unverrichteter Dinge wieder abziehen.
Auch Robert Schmitt vom Medizinischen Hilfswerk Deutschland berichtete, bereits am Samstag um 22.00 Uhr seien seine Rettungskräfte in Kattowitz eingetroffen und von der polnischen Feuerwehr zunächst auch gut empfangen worden.
"Als wir in der Halle waren, hieß es, die Rettungsarbeiten seien eingestellt, es werde nur noch geborgen", wundert sich Schmitt. Auch seine Männer durften danach nicht mehr auf das Gelände - angeblich, weil es zu gefährlich ist.
"Saßen genau in der Mitte"
Den Überlebenden stand unterdessen auch am Tag nach der Katastrophe das Grauen ins Gesicht geschrieben. "Als es passierte, saßen wir genau in der Mitte an einer Tischreihe", erzählt der deutsche Messebesucher Axel Völlmer, der fliehen konnte.
Er sah das Unheil am frühen Samstagabend auf sich zukommen. "Das Licht fiel aus, und das Dach fing von der Seite an, sich abzulösen", erzählt er. Es habe Blechteile geregnet, die wie von einer gewaltigen Kraft seltsam zerknüllt gewesen seien.
Tödliche Stahlträger
Als Todesbringer erwiesen sich die Stahlträger, die wie riesige Fallbeile herunterfielen. "Ich hörte ein wahnsinniges Krachen und Knirschen, versuchte noch herauszulaufen, aber es war zu wenig Zeit. Dann rief ich noch: Schmeißt Euch hin! Während neben mir Eisenteile einschlugen, kauerte ich mit dem Kopf nach unten und hoffte, es möge schnell vorbeigehen."
Glück im Unglück
Völlmers Glück: Genau da, wo er und seine Freunde waren, krachte das Dach mit einer Auswölbung auf den Boden. Lediglich am Schienbein wurde er verletzt. Bald konnte er unter dem Dach hervorkriechen.
Zusammen mit anderen Überlebenden versuchte er noch, einen Mann zu befreien, der unter einem Stahlträger eingeklemmt war - erfolglos. "Das Gerüst ließ sich keinen Millimeter bewegen."
Österreicher überlebt
Auch der Präsident des Österreichischen Verbandes der Brieftaubenzüchter, Lutz Prmies, überlebte das Unglück nur um Haaresbreite. Er konnte sich ebenfalls selbst aus den Trümmern befreien.
Knapp an noch größerer Katastrophe vorbei
Einig sind sich die Augenzeugen: Eine noch schlimmere Katastrophe wurde verhindert, weil das Dach erst nach 17.00 Uhr einstürzte. "Gegen Mittag konnte man kaum durch die Gänge gehen, so voll war es", sagte ein Augenzeuge. In der Stunde zuvor hatte sich die Messe aber schon deutlich geleert.
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