Knapp an noch größerem Unglück vorbei

Dicke Schneedecke war zu viel für Stahlkonstruktion.

  Mit der Eiseskälte der Winternacht legt sich Schweigen über den Ort der Katastrophe. Als der Notarzt Marek Brodzki am Samstagabend sechs Stunden nach dem Einsturz das Hallendachs an der Messehalle von Chorzow ankommt, rufen noch Verschüttete unter den Trümmern um Hilfe.

In der Nacht, als das Thermometer sich der Marke von minus 20 Grad nähert, verstummen die Rufe. "Ich identifiziere nur noch Leichen", berichtet Brodzki.

"Größte Katastrophe"

Mehr als 60 Menschen starben, Dutzende weitere wurden verletzt, als während einer Brieftaubenausstellung nahe der Bergbaustadt Kattowitz das Dach der Messehalle einstürzte. Präsident Lech Kaczynski spricht von der "größten Katastrophe des demokratischen Polen".

"Es passierte ganz schnell"

"Alles passierte ganz schnell, in drei Sekunden. Es gab einen furchtbaren Krach und das Dach stürzte ein", berichtet Jan Panek. Der Bergmann und Hobbytaubenzüchter saß in der Messehalle von Chorzow, als das Unglück am Samstagnachmittag seinen Lauf nahm.

Zwei Meter vor ihm kam das Dach in der Halle herunter, wo er bei einer Brieftaubenausstellung seine Vögel präsentierte. Weniger Glück hat Tomek Michalski. Er greift unter den Trümern sein Handy und wählt die Nummer seiner Eltern.

Seine Mutter berichtet von dem Gespräch: "Seine Beine und seine Schulter stecken unter Metallträgern fest, neben ihm liegt eine junge Frau, sie ist tot, er aber lebt."

"Wie ein Gefrierschrank"

Von der Messehalle sind nur Trümmer geblieben, ein Berg aus Stahlblech und Schnee. "Wir haben keine Chance, jemanden noch lebend zu finden, außer es gibt ein Wunder", sagt Brodzki am Morgen nach dem Unglück.

"Dieser Blechhaufen mit dem Schnee wirkt wie ein Gefrierschrank." In der Nacht sinken die Temperaturen auf minus 17 Grad. "Die Helfer graben Schächte, aber drinnen ist es noch kälter."

50 Zentimeter Schnee

Experten vermuten, dass die schwere Schneelast auf dem Dach die Ursache für den Einsturz war. Ein Sprecher des Betreibers beteuert zwar, dass die Schneemassen "regelmäßig" vom Dach geräumt worden seien.

Polens Verkehrsminister Jerzy Polaczek wies diese Darstellung jedoch zurück. Erste Untersuchungen hätten ergeben, dass eine massive, 50 Zentimeter dicke Schicht aus gefrorenem Schnee auf dem Dach gelastet habe.

In zwei Teilen eingestürzt

Am Samstag gegen 17.15 Uhr passierte es dann: Ein Teil des Daches stürzte ein, kurz vor 19.00 Uhr sackte noch ein weiteres Stück ein. Insgesamt gaben mehrere hundert Quadratmeter Dach nach, gut 200 Menschen waren in der Halle.

"Das Dach war aus Wellblech und über zehn Meter hoch", berichtet der örtliche Polizeisprecher Andrzej Gaska.

Mehr als 1.000 Rettungskräfte

Rund 1.300 Rettungskräfte von der Feuerwehr, der Polizei, der Armee und aus den Minen der Bergbauregion suchen die ganze Nacht über nach Verschütteten. Der Leiter der Feuerwehr vor Ort, Janusz Skulich, hat keine Hoffnung mehr, noch Überlebende zu bergen.

"Es ist nicht ausgeschlossen, dass wir noch einige Tage lang Leichen herausholen", sagt Skulich bei einer Pressekonferenz am Morgen. Der letzte Überlebende war gegen 22.00 Uhr gefunden worden.

Größerer Katastrophe entgangen

Wäre das Dach eine Stunde früher eingebrochen, hätte die Katastrophe nach den Worten ds Taubenzüchters Panek ein noch größerers Ausmaß angenommen. "Da war die Halle proppevoll", sagt Panek. "Es waren so viele Menschen da, dass man kaum noch durchkam."

Die Brieftaubenausstellung in Chorzow habe Tradition, sagt der Sprecher der regionalen Präfektur, Krzysztof Mejer. "Ganze Familien kommen hierher."

Maja Czarnecka, AFP.

 
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