Ein Zwiegespräch mit Mozart | |
Friedrich Gulda kehrt im Mozartjahr zurück. Im Gepäck: Ein Zwiegespräch mit Mozart.
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Mozart und sein Interpret - das sind im Idealfall verwandte Seelen. Friedrich Gulda könnte in diese Rubrik fallen: Der intuitiv-genialische Zugang zur Musik kontrastiert scharf mit der Exzentrik, die soziale Welt vor allem in ungünstigen Momenten vor den Kopf zu stoßen. Gulda fühlte sich Mozart jedenfalls so sehr verbunden, dass er einst scherzhaft meinte, nach seinem Tod mit Mozart auf einer Wolke sitzen und vierhändig Klavier spielen zu wollen. Vor sechs Jahren, just an Mozarts Geburtstag, verstarb Gulda an den Folgen eines Herzinfarkts in seinem Domizil am Attersee. Ableben und Auferstehung Zu jenem Zeitpunkt war Guldas Ruf einigermaßen ramponiert - immerhin hatte er ja ein knappes Jahr davor sein Ableben inszeniert, um wenig später mit Go-Go-Girls in Salzburg eine "Auferstehungspartie" zu begehen. Jetzt, im Mozartjahr, kehrt Gulda wie von der imaginären Wolke herabgestiegen zurück - und zwar mit ein paar fast verschollen geglaubten, dafür umso beglückenderen Einspielungen von Mozart-Sonaten. Guldas Sohn Rico hat ganz private Einspielungen Guldas aus den frühen 80er Jahren für die Musikwelt "gerettet". Eine Rückkehr zu Mozart 1981 wollte Gulda, der dem Klassik-Konzertbetrieb damals schon den Rücken gekehrt hatte, noch einmal in den "E-Bereich" zurück. An drei Abenden in München und anschließend in Paris und an der Scala in Mailand präsentierte er noch einmal seinen ganz persönlichen Zugang zu einem ganz persönlichen Werk Mozarts: den Klaviersonaten, die er an verschiedenen Orten über einen längeren Zeitraum hinweg komponiert hatte. Legende ohne Tondokument Guldas Präsentation sämtlicher Klaviersonaten in chronologischer Reihenfolge wurde als Konzertsensation gefeiert. Um die Auftritte setzte eine richtige Legendenbildung ein - doch diese musste ohne die entsprechenden Tondokumente auskommen. "Ich habe mich lange vorbereitet. Ich wollte wissen, wie sich diese Musik anfühlt", verriet Gulda selbst über seine Wiederentdeckung von Mozart. Am Flügel im "Hotel zur Post" Im "Hotel zur Post" in Weißenbach am Attersee, auf einem Bösendorfer Flügel, hatte sich Gulda auf seine Auftritte vorbereitet - und dort entstand auch jene Aufnahme, die nun von der Deutschen Grammophon nach langer Rekonstruktionsarbeit wieder aufgelegt wurde. Seine private Auseinandersetzung mit Mozarts Sonaten ließ Gulda jedenfalls für sich auf einer Revox-Maschine aufnehmen. Ob er die Bänder je zur Veröffentlichung vorgesehen hatte, ist unklar. Bänder als Faustpfand? Spekuliert wurde, Gulda habe sich die Einspielungen als Faustpfand für die Plattenindustrie aufgehoben, um auch seine weniger populären Jazz-Experimente auf Tonträgern verewigen zu können. Irgendwann schienen die Aufnahmen für Gulda bedeutungslos geworden zu sein; er schenkte sie seinem damaligen Tonmeister Hans Klement. Nach Klements Tod übergab dessen Ehefrau Kopien der Bänder an Guldas Sohn Rico, der elf Jahre alt war, als sein Vater mit den Mozart-Interpretationen in München auftrat. Nicht alle Aufnahmen zu retten Guldas Sohn konnte einen Teil der Aufnahmen für die Nachwelt retten. Einige Sonaten, etwa KV 284 in D-Dur, war derartig übersteuert aufgenommen worden, dass die Einspielung nicht zu retten war. Herausbringen konnte man zehn Sonaten (KV 279, 280, 281, 282, 283, 330, 332, 333 und 545) und eine Fantasie (KV 475). "Nacktester Mozart" Als "nacktesten Mozart, den es zurzeit zu hören gibt", bezeichnete Axel Brüggemann von der "Welt" die Einspielungen. Gulda entfernt sich klar von jenen Interpreten, die die Virtuosität in den Vordergrund stellen. Er nimmt ganz prinzipiell das Tempo aus dem Werk und unterscheidet sich damit etwa von dem bekannten Interpretationsansatz von Mitsouko Uchida. Ringen um jeden Ton Gulda interessiert sich für den einzelnen Ton bei Mozart, nicht das Ineinanderfließen der Töne - keck hebt Gulda einzelne Töne hervor. Audio: Sonate in C-Dur, KV 330, Andante cantabile Nie zerhackt er aber mit seiner Interpretation das Werk in der Manier eines Glenn Gould. Gulda zeigt, gerade bei der Sonate in C-Dur (KV 330), einen nachdenklichen, fast melancholischen Mozart. Möglich, dass da mancher schon an Schubert denkt. Möglichst nah an Mozart Doch Gulda bleibt konsequent im Sezieren seines geistigen Mentors. Wie könnte Mozart diese oder jene Passage gedacht haben? scheint Guldas Frage zu lauten. Natürlich ist auch seine Interpretation eine persönlich und damit nicht allgemein gültige. "Experimente im Stillen" Im Prinzip kommt er mit diesem Zugang den Intentionen des Komponisten zu den Klaviersonaten sehr nahe. "Mozart selbst", so der "Presse"-Musikkritiker Wilhelm Sinkovicz in seiner eben erschienen Monografie zum musikalischen Werk Mozarts, "betrachtet sie offenkundig lediglich als Experimente, die er für sich im Stillen ausführt." Eine "Fülle von Gedanken und Kleinformen" sieht Sinkovicz in Mozarts Sonaten ins Werk gesetzt. Gulda greift genau diesen Faden bei Mozart auf und spinnt ihn in monomanischer Manier weiter. Brüche und Widerstände Guldas Aufnahmen verführen nicht beim ersten Mal Hören. Mancher, der andere Einspielungen "gewohnt" ist, wird sich vielleicht sogar leicht abgestoßen fühlen. Dennoch: Gerade weil es nicht um den allerbesten Klang in der allerneuesten Aufnahmetechnik geht, sondern um Brüche und Widerstände, bleibt man bei diesem Mozart hängen. Man entdeckt selbst bei der zehnten Wiederholung Neues. Anfängliche Skepsis kann dabei in Begeisterung umschlagen. Gerald Heidegger, ORF.at Die Aufnahmen
Friedrich Gulda, The Gulda Mozart Tapes. 10 Sonatas and a Fantasy. Drei CDs, Deutsche Grammophon. Buchhinweis Wilhelm Sinkovicz, Mozart. Seine Musik. Pichler-Verlag, 144 Seiten, 9,90 Euro. Links: |
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