Mozart, das Wunderkind, Mozart, der Rokoko-Popstar, Mozart, der hektische Hanswurst: Die halbe Welt feiert seit Freitag den 250. Geburtstag von Wolfgang Amadeus Mozart.
Joannes Chrysostomus Wolfgangus Theophilus Mozart, Rufname Wolfgang, 1756 in Salzburg geboren, eroberte die Herzen der Gesellschaft im Sturm. Er war Gast an europäischen Fürstenhäusern, stieg zum gefeierten Komponisten auf, spielte die Konkurrenz an die Wand und war seiner Zeit weit voraus.
"Wolferl" gibt Rätsel auf
An seinem 250. Geburtstag ist sein weit über 600 Kompositionen umfassendes Werk präsenter denn je, und eine nahezu unüberschaubare Flut an neuen Büchern will die Person Mozart greifbar machen.
Doch gerade "Wolferl", der Mensch, gibt noch immer Rätsel auf. Auch bei den Mozart-Profis ist der Konjunktiv ständiger Begleiter aller Untersuchungen.
"Man weiß nicht wirklich, wie er war"
"Nein, ich kenne Mozart als Person nicht", zeigt sich Starpianist Lang Lang in der ORF-Dokumentation "Wolfgang wer?" (Freitag, 21.20 Uhr, ORF2) ratlos. Wenn man seine Briefe lese, bekomme man ein wenig von Mozarts Charakter mit. "Aber man sieht den Komponisten als Person nicht. Man weiß nicht wirklich, wie er war."
"Nicht kompatibel"
Mozart bleibt rätselhaft und schwer fassbar. "Man weiß über kaum jemanden so viel wie über Mozart. Zugleich weiß man überhaupt nichts über ihn", erklärt Dirigent und Mozart-Kenner Nikolaus Harnoncourt in "Wolfgang wer?". "Seine Biografie und seine Kunst sind nicht kompatibel, die passen nicht zusammen."
Fakten und Mythen
Das Leben des Komponisten ist zwar einerseits gut dokumentiert, andererseits so sehr umrankt von Mythen wie kaum eine andere Künstlerbiografie.
Dieser Trend begann schon kurz nach Mozarts Tod im Dezember 1791: Es dauerte nur wenige Wochen, bis eine Berliner Zeitung erste Gerüchte aufbrachte, er sei vergiftet worden.
Anekdoten in der ersten Biografie
1793 verfasste der Bibliothekar Friedrich von Schlichtegroll dann die erste Mozart-Biogafie - hauptsächlich eine Sammlung von Anekdoten aus der Kindheit des Komponisten, auf die viele der verbreiteten Mozart-Mythen zurückgehen.
Puschkin schrieb 1830 ein Stück über ihn und "Erzfeind" Salieri, darauf folgten Opern, Theaterstücke und schließlich 1984 "Amadeus", der Film, der am noch immer weit verbreiteten Image bastelte, dass der Ex-Kinderstar abseits der Musik in allen Belangen inkompetent war.
"Komponist Mozart war nie ein Kind"
War Wolfgang tatsächlich das ewige Wunderkind, das unter der strengen Ägide des Vaters Leopold Mozart zu Höchstleistungen angetrieben wurde und deshalb nie Zeit hatte, eine echte Jugend zu erleben?
"Der Komponist Mozart, der war nie ein Kind, meiner Meinung nach", so Harnoncourt. "Und ich finde auch den Komponisten Mozart unheimlich. Ich finde ihn nicht leicht und fröhlich und erfrischend, ich finde ihn unheimlich - das ist nicht mehr fassbar."
Kein Musenkuss
Besonders verstörend erscheint, dass Mozart nie "von der Muse geküsst" wurde - ganz anders als Prototypen des "tragischen Künstlers" wie Beethoven mit seiner "Schicksalssinfonie".
Im Gegensatz dazu war Mozart in erster Linie ein Handwerker, dessen Karriere nicht vom erst später aufkommenden romantischen Konzept der "Inspiration", sondern von beruflichen Rahmenbedingungen gesteuert war.
Komponist aus Notwendigkeit
"Mozart schrieb nie ein Stück einfach deshalb, weil er in der Stimmung dazu war oder weil er einen 'inneren Drang' verspürte, sondern praktisch immer, weil es irgendeine Notwendigkeit dazu gab", erläutert der im Vorjahr verstorbene britische Musikwissenschaftler Stanley Sadie in seiner gerade auf Englisch erschienenen Biografie "Mozart: The Early Years, 1756 - 1781" (W. W. Norton).
Ein Hauch von Moll
Und doch gibt es einige wenige Werke in Mozarts Schaffen, die düsterer und dunkler wirken als andere; zwei von 27 Klavierkonzerten etwa, und zwei von 41 Sinfonien, die in Moll gesetzt sind. Unter welchen Umständen sie entstanden sind, darüber können Musikwissenschaftler und Mozart-Liebhaber nur spekulieren.
Wenn es um Musik ging, war Mozart ein Dramatiker. Er schrieb sich nie seine Launen vom Leib, sondern hatte stets das Ziel, sein Publikum möglichst effektiv in eine Stimmung zu versetzen.
Trauer nicht in Musik umgesetzt
Als seine Mutter erkrankte, erklärte er seinem Vater Leopold, er habe zwar reichlich Zeit zum Komponieren gehabt, doch habe er keine einzige Note schreiben können.
Anna Maria Mozart verstarb am 3. Juli 1778 bei einem gemeinsamen Paris-Aufenthalt mit ihrem Sohn. Briefe aus dieser Zeit deuten an, dass Mozart nicht im Entferntesten daran dachte, seine Trauer in Musik umzusetzen.
"Diskrepanz zwischen Mensch und Künstler"
Der Musikkolumnist Terry Teachout bringt es im US-Magazin "Commentary" auf den Punkt: "Die Diskrepanz zwischen dem Menschen und dem Künstler ist so groß, dass man sich eigentlich fragen muss, warum sich noch keine passionierten Pseudo-Intellektuellen gefunden haben, die behaupten, dass die Musik des 'Mannes aus Salzburg' in Wahrheit von einem kultivierteren Zeitgenossen geschrieben wurde."
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