Gewinnler des Anschlusses

Von der "Arisierungspolitik" der Nazis profitierten in Österreich gerade auch die öffentlichen Sammlungen.

  Eigentlich hatte man sich ja schon mit dem Staatsvertrag dazu verpflichtet: Im Artikel 26 §1 bekannte sich Österreich zur Rückstellung von entzogenen Vermögenswerten aus der Nazi-Zeit.

Wie die Praxis aussah, daran erinnert ein vor kurzem erschienener Sammelband über den "NS-Kunstraub in Österreich und die Folgen" (Studienverlag): Dieser Verpflichtung kam Österreich mehr passiv als aktiv nach, indem man, wie der junge Historiker Ingo Zechner erinnert, "Rückstellungsansprüche innerhalb einer bestimmten Frist zwar zugelassen, die Initiative aber weitgehend den Geschädigten überlassen hatte".

"Billig und unkompliziert" erweitert

Von der "Arisierungspolitik" der Nazis hatten in Österreich gerade auch die öffentlichen Sammlungen profitiert. Sie konnten nach dem Anschluss ihre Bestände dank der "Politik" des Nationalsozialismus, wie Hubertus Czernin erinnert, "billig und unkompliziert" erweitern.

Das Kunsthistorische Museum dankt noch heute den Förderern für die Vermehrung seiner Bestände. Unter den "Förderern" sind auch jene einst enteigneten Besitzer von Kunstwerken, die nach 1945 das Museum "beschenkten", damit man andere Kunstwerke aus dem eigenen Besitz aus Österreich ausführen durfte.

Neue Grundlage seit 1998

Vieles, etwa die Ausfuhrrestriktionen, änderten sich durch das Kunstrückgabegesetz 1998. Doch zahlreiche Kapitel der Enteignung jüdischer Sammler sind neben dem Fall Bloch-Bauer/Altmann immer noch im Dunklen.

Wie die Herausgeberinnen des Bandes, Gabriele Anderl und Alexander Caruso, daran erinnern, hatte Österreich eine Sonderrolle im Umgang mit Kunstwerken im jüdischen Eigentum.

Andere Situation als in Deutschland

"Während in Deutschland die Museen 1937 systematisch von Werken so genannter entarteter Kunst gesäubert worden waren, kam es im annektierten Österreich zu keiner vergleichbaren Entwicklung." Der Grund dafür sei die konservative Sammlungspolitik österreichischer Museen gewesen, aber auch, dass es eine radikale Avantgarde im österreichischen Kunstschaffen nur ansatzweise gegeben habe.

Die privaten Kunstsammlungen spiegeln diesen Konservativismus auch in gewisser Weise wider.

Kunst-"Verkauf", um zu überleben

Schon in den ersten Wochen der NS-Herrschaft war die Pogromstimmung im Land sehr stark.

"Angesichts der raschen und konsequenten Zerstörung ihrer materiellen Lebensgrundlage hatten sich Jüdinnen und Juden vielfach gezwungen gesehen, Kunstschätze aus ihrem Besitz weiter unter dem tatsächlichen Wert zu veräußern, um ihr Überleben zu sichern oder die für die Flucht nötigen finanziellen Mittel aufzubringen", so Anderl und Caruso.

Dorotheum als Umschlagplatz

Ein großer Teil der Kunstgüter kam auf den heimischen Kunstmarkt. Das Dorotheum half kräftig mit, jene den Juden billig abgekauften Güter an die neuen Besitzer zu vermitteln.

Museumsfachleute waren für das Auktionshaus in der Nazi-Zeit tätig - und interessanterweise tauchen die gleichen Experten nach 1945 wieder als "Experten" auf, als es um die Klärung von Herkunftsfragen ging.

Das Dorotheum erinnerte in diesem Kontext gegenüber ORF.at daran, dass das Auktionshaus bis 2001 ein Auktionshaus in staatlichem Besitz war. Mit dem Verkauf des Dorotheums 2001 wurden 32 Mio. Euro an den Entschädigungsfonds der Republik überwiesen; noch für dieses Jahr verspricht das Auktionshaus die Vorlage eines Historikerberichts über die Rolle des Dorotheums im Zusammenhang mit dem Kunstraub unter den Nazis.

Der Fall Kantor

Vor einigen Jahren beschrieb Hubertus Czernin in einem eigenen Buch den Fall von Alice Kantor ("Dame mit Boa"), der heute über 80-jährigen Tochter des emigrierten Juristen und Sammlers Siegfried Kantor. Bis heute sucht sie Kunstwerke, die ihr von den Nazis gestohlen und vom heutigen Österreich nicht zurückgegeben wurden.

Bei Nachforschungen erfuhr Kantor etwa, dass Bilder aus dem ehemaligen Besitz ihrer Familie noch in den 1980er Jahren über das Dorotheum zum Verkauf angeboten worden waren. Entsprechende Nachfragen über die Einbringer beantwortete das Dorotheum etwa im Fall eines Bildes von Anton Kolig, das über das Dorotheum von der Sammlung Essel erworben wurde, mit unklaren Hinweisen.

Die Rechtfertigung der Kunsthändler

Ermittelt wurde nach dem Krieg sehr wohl auch gegen Kunsthändler der damaligen Zeit. Gegen den Vorwurf nach Paragraph 6 des Kriegsverbrechergesetzes ("missbräuchliche Bereicherung") verteidigten sich viele mit einer simplen Rechtfertigungsstrategie: Sie hätten verfolgten Juden durch den Ankauf von Kunstgegenständen bei der Existenzsicherung oder Flucht geholfen.

Der angebliche "Retter"

Einer der "Hauptakteure bei der 'Arisierung' der Wiener Kunstsammlungen" war, so Czernin in seinem Buch über den Fall Bloch-Bauer ("Die Fälschung", 1999), der ehemalige Direktor der Staats- und Gemäldegalerie im Belvedere, Bruno Grimschitz: Grimschitz fungierte als Schätzmeister und half dem Belvedere und dem Kunsthistorischen Museum zwischen 1938 und 1945, deren Sammlungen preisgünstig zu erweitern.

Nach dem Krieg lobte sich Grimschitz in einer Stellungnahme für seine "ungewöhnlich reiche und weitgehend den nationalsozialistischen Richtlinien entgegengesetzte Erwerbungstätigkeit". Die Ansicht, dass da einer vor allem mitgeholfen habe, jene von den Nazis beanstandeten Kunstwerke quasi in ihrem "Überleben" gesichert zu haben, setzte sich nach dem Krieg als Meinung unter "Experten" rasch durch.

Das Buch

Gabriele Anders, Alexandra Caruso (Hrsg.), NS-Kunstraub in Österreich und die Folgen. Mit einem Vorwort von Hubertus Czernin. Studienverlag, 315 Seiten, 33 Euro.

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