Der "Kannibale von Rotenburg" hat von einem bürgerlichen Familienleben geträumt. Neben Opfern für seine Gewaltfantasien suchte Armin Meiwes gleichzeitig eine Frau fürs Leben und wollte viele Kinder haben, schilderten zwei Frauen während des Verfahrens vor dem Kasseler Landgericht.
Die familiäre Geborgenheit, nach der sich Meiwes sehnte und die ihm selbst als Kind getrennter Eltern fehlte, fand er bei Nachbarn und Bekannten sowie deren Kindern. Der Aufbau einer festen Beziehung zu einer Frau aber, die er am liebsten zu sich ins Haus genommen hätte, scheiterte stets.
Homosexuelle Neigung
Zwei Zeuginnen schilderten Meiwes als freundlichen, hilfsbereiten und kinderlieben Mann, der sich nach einer eigenen Familie gesehnt habe. Bei beiden Frauen habe er indes vergeblich versucht, eine feste Partnerschaft aufzubauen.
Unter anderem standen seine ebenfalls offen geäußerten homosexuellen Neigungen dem Familienglück im Weg.
"Sehr kindlicher Eindruck"
Eine 39 Jahre alte Frau sagte aus, sie habe eine Beziehung abgelehnt, als Meiwes ihr von seinen homosexuellen Neigungen berichtete. "Er machte einen sehr kindlichen Eindruck, wie er mit den Kindern spielte, er war selber ein Kind", sagte die Zeugin. "Ich habe gemerkt, dass er sich wohl gefühlt hat bei uns in der Familie."
Nach Darstellung von Meiwes soll es nicht zu einer Beziehung gekommen sein, weil die Frau keine weiteren Kinder mehr bekommen konnte. Auch eine Nachbarin berichtete, Meiwes habe Interesse an ihr gezeigt. Er habe den Wunsch geäußert, zu heiraten und viele Kinder zu haben. Er "ist ein sehr gefühlsbetonter und sensibler Mensch".
Gemeinsamer Kaffee und Fernsehen
Bei den Nachbarn in dem kaum 30 Einwohner großen osthessischen Wüstefeld war Meiwes den Frauen zufolge sehr beliebt. "Er nahm am Familienleben teil und passte auf die Kinder auf", sagte eine Zeugin. Man setzte sich zum Kaffee oder Fernsehen zusammen. Wenn Hilfe benötigt wurde, war er sofort zur Stelle.
"Schlachtraum" blieb verborgen
Den in seinem Haus eingerichteten "Schlachtraum" und die im Computer gespeicherten Gewaltbilder bekam niemand zu Gesicht. Nur über Meiwes' Homosexualität sei im Ort gemunkelt worden.
Halbbruder: "Bastelte Modellhäuser"
In seiner Kindheit sei Meiwes ein ganz normaler Bub gewesen, schilderte einer seiner beiden älteren Halbbrüder in einem vor Gericht verlesenen Vernehmungsprotokoll. Die Aussage vor Gericht verweigerte er hingegen.
"Er hat gerne Modellhäuser gebastelt und im Garten gespielt." Ein besonderes Interesse an Gewalt oder dem Schlachten von Tieren habe er bei seinem Bruder nie festgestellt. "Er war ein ganz normaler Typ, er hat sich auch mal mit anderen geprügelt."
Über Kannibalismus habe Meiwes nie gesprochen. Als er von der Tat erfahren habe, sei er fassungslos gewesen.
Michael Evers, dpa