"Agcas Leben in Gefahr"

Papst-Attentäter Agca könnte sich nach seiner Freilassung selbst in Gefahr befinden.

  Der Attentäter von Papst Johannes Paul II., Mehmet Ali Agca ist aus der türkischen Haft entlassen worden. Agca könnte sich nun allerdings selbst im Visier von Attentätern wieder finden.

Der ehemalige römische Staatsanwalt Ferdinando Imposimato, der die Ermittlungen zum Anschlag auf Johannes Paul II. geführt hatte, warnte am Montag, dass Agcas Leben nach der Freilassung in Gefahr sei.

"Er kennt die Wahrheit"

"Ich bin überzeugt, dass Agca sein Leben riskiert, sollte er freigelassen werden. Er kennt die Wahrheit um das Komplott, das zum Attentat auf Johannes Paul II. geführt hat", so der Ex-Staatsanwalt.

Treffen mit Agca

Imposimato hatte Agca 1987 getroffen, als sich der Türke in der Strafanstalt von Ancona befand. Agca habe ihm berichtet, dass er im Gefängnis Morddrohungen erhalten habe.

Aus diesem Grund habe er sich beim Prozess, bei dem er zu lebenslang verurteilt worden war, als verrückt dargestellt, berichtete Imposimato.

Bulgarien oder der Vatikan?

Die Hintergründe und die Auftraggeber des Papst-Attentats sind bisher nicht bekannt. Agca selbst lieferte dafür die unterschiedlichsten Versionen.

Akten aus den Archiven der früheren DDR-Staatssicherheit (Stasi) weisen darauf hin, dass der ehemalige sowjetische Geheimdienst KGB das Attentat auf den Papst beim bulgarischen Geheimdienst in Auftrag gegeben hatte. Bulgarien hat diese Anschuldigungen zurückgewiesen.

Agca selbst hatte kürzlich erst Kreise im Vatikan für das Attentat verantwortlich gemacht.

Vatikan reagiert kühl

Der Vatikan wollte keine Stellung zur Freilassung des Papst-Attentäters nehmen. "Wir haben aus Agenturmeldungen von der möglichen Haftentlassung erfahren, niemand hatte uns darüber informiert", sagte der vatikanische Staatssekretär Angelo Sodano im Interview mit der römischen Tageszeitung "La Repubblica" am Montag.

Sodano weigerte sich, die Nachricht zu kommentieren. "Die türkischen Justizbehörden sind allein für den Fall zuständig."

Papst vergab seinem Attentäter

Agca hatte Papst Johannes Paul II. am 13. Mai 1981 auf dem Petersplatz durch drei Schüsse lebensgefährlich verletzt und war von einem italienischen Gericht zu lebenslanger Haft verurteilt worden.

Der Papst hatte ihm nach der Tat vergeben und ihn im Gefängnis besucht.

Biograf: Er hätte sich gefreut

Der bekannte italienische Vatikan-Experte und Autor einer Biografie über Johannes Paul II., Vittorio Messori, ist der Ansicht, dass Karol Wojtyla die Nachricht von der Freilassung Agcas begrüßen würde.

"Johannes Paul II. wäre über die Nachricht von Agcas baldiger Freilassung zutiefst erfreut gewesen. Erfreut, weil er außerordentliches Vertrauen hatte und weil er als echter Christ glaubte, dass man sich stets zum Besseren wenden kann", meinte Messori.

In die Türkei überstellt

Im Jahr 2000 war Agca von Italiens Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi begnadigt und in der Folge an die Türkei überstellt worden.

Dort musste der den rechtextremen "Grauen Wölfen" nahe stehende Terrorist eine Haftstrafe wegen des Mordes an dem Journalisten Abdi Ipekci im Jahr 1979 sowie wegen weiterer Delikte verbüßen.

Bereits 2001 gab es Spekulationen, Agca könnte auf Grund einer neuen Amnestieregelung in fünf Jahren freikommen.

Der gegenwärtige Papst Benedikt XVI. plant im November einen offiziellen Besuch in der Türkei.

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