"Seine letzte Expedition"

Schon als Kind hing der kleine Heinrich an den Bergen.

  Eine der bekanntesten Persönlichkeiten Österreichs, der Bergsteiger, Forscher und Schriftsteller Heinrich Harrer, ist am Samstag im 94. Lebensjahr gestorben.

Das teilte die Familie des in Knappenberg in Kärnten beheimateten Harrer mit. Er habe "mit großer Ruhe seine letzte Expedition angetreten", heißt es in einer Mitteilung an die Medien.

"Große prägende Persönlichkeit"

Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) und Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider (BZÖ) würdigten den Verstorbenen als eine große Persönlichkeit. "Mit Heinrich Harrer verliert der Alpinismus eine große und prägende Persönlichkeit", so Schüssel.

Haider würdigte Harrer als einen "in aller Welt bekannten und geschätzten Botschafter des Friedens und des Miteinanders zwischen den Religionen". Mit Harrer würden Kärnten und Österreich eine große Persönlichkeit verlieren, welche mit ihrer Weisheit, Güte, Weltoffenheit und Toleranz Vorbild für viele gewesen sei, so Haider.

Begräbnis in Hüttenberg

Harrer war am Donnerstag ins Deutschordensspital Friesach eingeliefert worden, wo er um 6.45 Uhr starb. Die Todesursache wurde nicht bekannt gegeben. Harrer wird kommenden Samstag um 14.00 Uhr auf dem Friedhof in Hüttenberg zur letzten Ruhe geleitet.

Vom Dorf in die Welt

Harrer wurde am 6. Juli 1912 in Obergossen bei Hüttenberg in Kärnten geboren. Er stammte aus keinem reichen Elternhaus, welches ihm seinen Drang in die Welt hinaus finanziert hätte.

Als sein Vater, ein Postbeamter, 1927 nach Graz versetzt wurde, wurden die Ausbildungsmöglichkeiten für ihn umfangreicher. Er maturierte an der Realschule in Graz und studierte Sport und Geografie.

Olympia-Teilnehmer

Die Ferien gehörten den Bergen, er verdiente sich sein Taschengeld mit Bergführungen und Skikursen. Harrer gehörte dem österreichischen Skiteam für die Olympischen Spiele 1936 an und wurde 1937 akademischer Weltmeister im Abfahrtslauf.

Erstmals "Mordwand" bezwungen

Nach Abschluss der Lehramtsprüfung machte sich Harrer mit seinem Freund Fritz Kasparek auf den Weg zum Eiger.

Am 21. Juli 1938 stiegen sie in die als "Mordwand" bezeichnete Nordwand ein - und am 24. Juli um 15.30 Uhr hatten sie gemeinsam mit zwei weiteren Bergsteigern, Anderl Heckmair und Wiggerl Vörg, als Erste die Wand bezwungen.

Expedition auf den Nanga Parbat

Als nächstes Ziel lockte der Himalaja. Kurz nach seiner Hochzeit im Dezember 1938 mit Lotte Wegener, der jüngsten Tochter des bekannten Grönland-Forschers Alfred Wegener, erreichte ihn auch tatsächlich die Einladung, an der Erkundungsexpedition zum Nanga Parbat mitzumachen.

Was dieser Weg schließlich für Harrer bedeuten sollte, das konnte er sicherlich nicht abschätzen. In Karatschi wurden die Expeditionsmitglieder von indischen Soldaten verhaftet und in das englische Internierungslager Ahmednagar, später nach Dehra Dun, gebracht.

Flucht zu Fuß

In der langen Zeit der Gefangenschaft bis 1944 bereitete sich Harrer nicht nur immer wieder auf die Flucht vor, sondern er lernte auch Tibetisch, Hindi und Japanisch und zeichnete Landkarten.

Am 29. April 1944 gelang ihm schließlich gemeinsam mit Peter Aufschnaiter die Flucht. Sie dauerte zwei Jahre und führte über 65 Himalaja-Pässe in einer Seehöhe von 5.000 bis 6.000 Meter.

Freund des Gottkönigs

Tibet mit seinen freundlichen Menschen wurde für Harrer schließlich zur zweiten Heimat. In Lhasa baute er einen Damm, zeichnete einen Stadtplan, entwarf den Aufdruck für Briefmarken und Geldnoten, beriet Beamte und Minister - und wurde Freund und Berater des jungen Gottkönigs, des Dalai Lama.

Flucht ins Ausland

Im Herbst 1950 rücken die Chinesen in Osttibet ein. Viele Tibeter und auch Harrer flohen ins Ausland. Nach über 13 Jahren kehrte er nach Europa zurück und begann seine Erlebnisse und Eindrücke der westlichen Welt mitzuteilen.

Er schrieb "Sieben Jahre in Tibet", hielt Vorträge, berichtete in Zeitschriften und Fachjournalen.

Mitglied der NSDAP und der SS

Seine Vergangenheit während des Dritten Reiches wurde Ende der neunziger Jahre ein Thema. Nach Medienberichten musste er eingestehen, dass er Mitglied der NSDAP und der SS gewesen war.

Zahlreiche Expeditionen

Doch der Abenteuer- und Forscherdrang Harrers war nach seiner Zeit in Tibet keineswegs gestillt.

1961/62 durchquert er West-Neuguinea, 1964/65 Nepal und das Himalajagebiet, 1966 Surinam und das Amazonasbecken, 1969 Französisch-Guayana, 1970 Grönland, 1971 den Sudan, 1972 Borneo, 1973 wieder Nepal, 1975 die Andamanen-Inseln, 1976 Ladakh, 1977 das Ruwenzori-Gebiet, 1978 Sikkim, 1980 Sikkim und Bhutan sowie 1981 ein weiteres Mal Nepal. 1982 gab es ein Wiedersehen mit dem zerstörten Tibet. 1983, 1984 und 1986 bereiste er neuerlich Bhutan.

Neben seiner schriftstellerischen und Forschertätigkeit ist Harrer immer seiner Liebe zum Sport und zum Bergsteigen treu geblieben. Golf ist zu seiner Lieblingssportart geworden - 1958 wurde er österreichischer Meister, später auch Seniorenmeister - und er ist Ehrenpräsident des Österreichischen Golfverbandes.

Zahlreiche Ehrungen

Harrer ist auch Träger zahlreicher Auszeichnungen und Ehrungen. Erwähnt seien der 1964 verliehene Titel "Professor", das große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, das große goldene Ehrenzeichen des Landes Kärnten und des Landes Steiermark, das österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst, die goldene Humboldt-Medaille und die Ehrenmedaille des Explorer-Clubs in den USA. 1995 wurde er in die Kurie der Wissenschaften in Österreich aufgenommen

Seine mehr als 25 Expeditionen hat Harrer in über 20 Bücher und Dutzenden Fernsehsendungen verewigt. In Hüttenberg gibt es seit Jahren das Heinrich-Harrer-Museum, das Zehntausende Besucher anlockt.

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