Misst Westen mit zweierlei Maß?

Europa hat kaum eine Alternative zu russischem Gas.

  Der deutsche Russland-Experte Alexander Rahr hat den Westen davor gewarnt, im Gas-Streit einseitig Position zu Gunsten der Ukraine zu beziehen: Letztlich mache Russland gerade nun nichts anderes, als langjährigen Forderungen des Westens nachzukommen.

"Der Westen hat natürlich viele Sympathien für die Ukraine", sagte Rahr von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Andererseits hätten gerade die Industriestaaten von Russland eine Erhöhung der Gaspreise auf Weltmarktniveau verlangt.

Spielt Westen doppeltes Spiel?

Dass Russland sein Gas nicht mehr billig an befreundete Staaten abgibt und damit freien Handel unmöglich macht, sei eine der Bedingungen des Westens für die Aufnahme Russlands in die Welthandelsorganisation (WTO) gewesen, erinnert Rahr.

"Deshalb kann der Westen keine doppelte Position beziehen", meinte Rahr. Man müsse "hier schon nach denselben Maßregeln und denselben Prinzipien spielen". Zudem habe die Ukraine "15 Jahre Zeit gehabt, sich umzustellen".

EU-Märkte für Ukraine öffnen?

Aus Rahrs Sicht wäre ein Ausweg aus dem Konflikt, dass der Westen der Ukraine zu Einnahmen verhelfe, indem etwa die EU ihre Märkte für Produkte aus der Ukraine öffne. Damit könnte sich das Land russisches Gas auch zu Marktpreisen leisten.

Gelöst werden könne der Streit auch, indem die Ukraine ihr Pipelinesystem an Russland verkaufe oder verpachte und so, ähnlich wie Weißrussland, Gas zum Vorzugspreis beziehe, schlug der Experte vor. Das bedeute aber auch einen Souveränitätsverlust.

Finanzielle und politische Motive

Die Rolle Moskaus in dem Konflikt sei jedoch machtpolitisch und kommerziell motiviert, räumte auch Rahr ein. "Ein Land wie Russland braucht dringend Geld, um wieder Weltmacht werden zu können." Doch auch die Orientierung der Ukraine zum Westen hin spiele eine Rolle.

Der Schwenk der Ukraine nach der "Orange Revolution" belaste die Beziehungen, so Rahr. Ein NATO-Beitritt des Landes wäre etwa "für Russland eine Katastrophe". Das wolle Russlands Präsident Wladimir Putin verhindern und setze daher nun das Land unter Druck.

Keine Alternative zu Russland

Rahr zufolge wird die Abhängigkeit Europas von russischem Gas steigen. Noch stünden etwa Norwegen, England und Algerien als Lieferanten zur Verfügung. In zehn Jahren werde die EU jedoch schon 90 Prozent ihrer Gasversorgung einführen müssen, vor allem aus Russland.

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