PC-Revolution in der Architektur
Bis dahin war CAD Konzernen und Universitäten vorbehalten, die oft selbst geschriebene Software auf riesigen Mainframe-Computern einsetzten. Ab den 1980ern wurde dieser Markt von Workstations und kommerzieller Software übernommen, die aber immer noch viel zu teuer für Architekten waren.
AutoCAD demokratisierte gleichsam das computergestützte Entwerfen durch den Umstieg auf die billigen, brandneuen PCs, die allerdings vorerst nur schwache Prozessoren und geringe Grafik-Performance boten.
De-facto-Standard
Das sollte sich rasch ändern. Ende der 1980er Jahre war AutoCAD bereits Marktführer und CAD nicht mehr allein die Domäne der Flugzeug- und Autobauer, sondern wichtiges Werkzeug im Kreativsektor.
Noch heute ist AutoCAD quasi Standard: Sein Dateiformat DWG ist Allgemeingut, und obwohl sich AutoCAD längst nicht mehr so stark von der Konkurrenz unterscheidet, bleibt es allein dadurch erfolgreich, dass sehr viele Architekten diese Software beherrschen.
Die Anfänge des Zeichnens am Bildschirm
Als Beginn des CAD wird meist das Doktoratsprojekt des MIT-Studenten Ivan Sutherland von 1963 bezeichnet: Mit Sketchpad konnten Zeichnungen auf einem Bildschirm direkt mittels eines Lichtgriffels erzeugt werden - das erste grafische Benutzerinterface avant la lettre.
Kommerzielle Software, die solche Funktionalität bot, war erst 25 Jahre später verfügbar.
Diese Lücke zwischen Anspruch und Realität zieht sich durch die gesamte Geschichte des CAD bis in die Gegenwart der sogenannten Blob Architecture, die virtuell zweifellos besser funktioniert als in der Realität, die durch Feuchtigkeit und Kälte, Materialproduktionsweisen und Kostenrahmen bestimmt ist.
Utopische Hoffnungen
Lange war unklar, ob man mit dem Akronym CAD nun computergestütztes Zeichnen ("drafting") oder Entwerfen ("design") meint. Heute ist CAD primär ein Werkzeug zur Produktivitätssteigerung. Mit dem Computer kann man schneller zeichnen, rascher Veränderungen vornehmen und besser mit Kooperationspartnern kommunizieren.
Doch die Hoffnungen der 1970er Jahre, dass der Computer bald mit Künstlicher Intelligenz den Entwerfer unterstützen könne, erwiesen sich als utopisch. Gleiches gilt für die Idee, den Computer als Mittel für Nutzerbeteiligung in der Planung einzusetzen. Software schaffte es nicht, die zentralen Konzepte hinter den Raumideen für Laien verständlich und damit kritisierbar zu machen.
CAD heute: Neue Möglichkeiten
CAD machte somit Tuschestift und Zeichenschiene in der Architektur obsolet und sorgte gleichzeitig für eine Renaissance des guten alten analogen Modells. Entworfen wird nach wie vor großteils außerhalb des Rechners.
Beispiel dafür ist der Stararchitekt Frank Gehry. Als er Anfang der 1990er Jahre den Wettbewerb für das Guggenheim-Museum in Bilbao gewonnen hatte, suchte er eine Möglichkeit, die komplexen, mit traditionellen Modellen entwickelten Formen seines Entwurfs auch 1:1 bauen zu können - und fand sie in CATIA, einer französischen Software, mit der die gekrümmten Formen der Mirage-Abfangjäger entwickelt worden waren.
Innovative Gurke
Einen Schritt weiter ging Norman Foster, der für den Entwurf des Swiss-Re-Gebäudes in London die parametrischen Funktionen der Software MicroStation nutzte.
Parametrisches Entwerfen bedeutet, dass Maße digitaler Objekte voneinander abhängig gemacht werden. Wenn man beispielsweise die Fläche eines Raumes vergrößert, wächst automatisch nach einem fixen Faktor die Raumhöhe mit.
Das ist im Industriedesign längst üblich, doch in der Architektur noch schwierig. Foster konnte damit die Form seines "Gherkin" ("Gurke") genannten Wolkenkratzers schneller testen und festlegen, als das bisher möglich war.
Militärtechnologie auf dem Kaffeetisch
Einen Ausblick in die CAD-Zukunft gab Greg Lynn, Architekturprofessor an der Wiener Universität für angewandte Kunst, mit seinem Teeservice für Alessi von 2003. Er wandte dabei militärische Technologie an.
Titanbleche wurden durch Explosionsverformung in roboterproduzierte Formen gepresst. Kein Service ist identisch mit einem anderen, obwohl vollständig industriell gefertigt. Mittels einer Vielzahl von Hohlformen ist Lynns Geschirr ein Beispiel für Mass Costumization, individuell gesteuerte Massenproduktion.
Klar ist allerdings, dass solche Innovationen heute auf dem Kaffeetisch, aber nicht für den Raum drumherum möglich sind. Bis die komplexe, alltägliche Wirklichkeit der Architektur den digitalen Formfindungen folgen kann, wird noch einige Zeit vergehen.
Tatort Architektur
Weitere Einblicke in Geschichte und Gegenwart von CAD sind 2008 in einer Ausstellung des Architekturzentrums Wien, kuratiert von Elke Krasny, möglich: "Tatort Architektur. Menschen, Orte, Werkzeuge" wird den Prozess des Architekturmachens und die dafür eingesetzten Werkzeuge thematisieren - und dabei wird CAD eine wichtige Rolle spielen.
Robert Temel
Links:
- Geschichte von AutoCAD
- Autodesk
- CATIA (Wikipedia)
- MicroStation (Wikipedia)
- Gehrys Guggenheim-Museum
- Fosters "Gurke"