Abstimmung nach Spielregeln der EU

Die EU ist bei dem Referendum weit mehr als nur Beobachter.

  Die Republik Montenegro, der - mit Abstand - kleinere Landesteil von Serbien-Montenegro, hat am Sonntag über seine Unabhängigkeit abgestimmt. Rund 480.000 Wähler waren zur Entscheidung aufgerufen, ob sich ihr Land vom großen Bruder Serbien trennen will und zum eigenen souveränen Staat werden soll.

Alle Umfragen sagten ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Befürwortern und Gegnern der Souveränität voraus. Beide Parteien gelobten auch gegenüber dem EU-Beauftragten für das Referendum, Miroslav Lajcak, sie würden das Ergebnis jedenfalls anerkennen.

Hohe Beteiligung

Die Beteiligung am Referendum lag bei etwa 87 Prozent. Nach Angaben der Nicht-Regierungsorganisationen CEMI und CESID gaben bis 20.30 Uhr 86,6 Prozent bzw. 419.800 der wahlberechtigten Bürger ihre Stimme ab. Der Urnengang verlief äußerst ruhig.

Weder die Republik-Referendumskommission noch die nichtstaatlichen Organisationen meldeten größere Unregelmäßigkeiten. Ein Wahlbeobachter sprach gar von einem "langweiligen" Ablauf des Referendums.

EU legte Regeln fest

Lajcak hatte die Referendumskampagne zuvor als "nicht gerade idyllisch, aber besser als erwartet" bezeichnet. Auch er unterstrich, der Ausgang der Abstimmung könne "von niemandem vorausgesagt werden". Das Referendum könne "auf jede Weise ausgehen", so Lajcak.

Die EU ist bei dem Referendum weit mehr als nur Beobachter - sie legte die Spielregeln für die Abstimmung fest: Demnach müssen zwei Bedingungen erfüllt sein, bevor die Volksabstimmung zur Grundlage einer Unabhängigkeit wird.

Mindestens 55 Prozent nötig

Einerseits müssen mehr als 50 Prozent der Stimmberechtigten an der Abstimmung teilnehmen, andererseits muss der Anteil der Befürworter einer Unabhängigkeit mehr als 55 Prozent betragen. Mehr als 3.000 Beobachter aus dem In- und Ausland sollen den Urnengang überwachen.

Vor allem die montenegrinische Regierung unter Milo Djukanovic tritt für einen eigenen Staat ein. Nur so könne Montenegro schnell in die EU und die NATO geführt werden. Serbien behindere Montenegro auf seinem Weg nach Europa, so Djukanovic.

EU zusehends auf Distanz

Djukanovic wirft Serbien vor, dass dort noch immer das ehemalige Regime des inzwischen gestorbenen früheren jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic den Ton angebe - dabei zählte er selbst einst zu jenen, die Milosevic den Weg an die Macht ebneten.

Später wandte sich Djukanovic von Milosevic ab - und dem Westen zu. Mittlerweile stößt das Verhältnis in der EU jedoch auf immer weniger Gegenliebe: Noch ein Staat, der einst geschürte Hoffnungen auf EU-Annäherung nun einlösen will, passt gerade schlecht ins Konzept.

Dunkle Geschäfte Djukanovics?

Außerdem beschuldigen die pro-serbischen Kräfte Djukanovic, mit einem selbstständigen Staat seine angeblich kriminellen Geschäfte absichern zu wollen. Die Rede ist von mafiosen Schmugglergeschäften. Auch diese Gerüchte sprachen sich bis nach Brüssel durch.

Die Gegner eines selbstständigen Montenegro argumentieren außerdem, der Bruch des Bundes mit den serbischen Blutsbrüdern sei unnatürlich. Montenegro profitiere zudem vom viel größeren Serbien in Diplomatie, Verteidigung, Bildungs- und Gesundheitswesen.

Ergebnis im "Graubereich"?

Tatsächlich verfehlten Drohungen, dass Bürger des kleinen Montenegro künftig in serbischen Spitälern und Universitäten unerwünscht sein würden, in Montenegro ihre Wirkung nicht - ein Grund mehr für die Unvorhersehbarkeit des Resultates.

Die Wahllokale schlossen um 21.00 Uhr. Befürchtet wird ein Ergebnis zu Gunsten der Unabhängigkeit, das jedoch unter 55 Prozent Zustimmung bleibt. Djukanovic deutete bereits an, dass er das trotzdem als Auftrag für die Trennung von Serbien sehen würde.

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