Seit Freitag liegt die viel diskutierte Studie zur Integration der Muslime in Österreich vor - und sie zeichnet ein deutlich anderes Bild, als die Vorabaussagen von Innenministerin Liese Prokop (ÖVP). Das von Prokop verwendete Wort "integrationsunwillig" kommt gar nicht vor.
Das trage die Studie auch nicht, betonte deren Verfasser, der deutsche Islamexperte Mathias Rohe am Freitag in Gegenwart der Innenministerin.
Distanziert, aber nicht unwillig
Rund 45 Prozent der Muslime hätten eine "große Distanz" zur Mehrheitsbevölkerung. Ähnlich stark ist aber auch die Distanz auf Seiten der Österreicher, betonte der Studienautor.
Anders als dies das Wort "unwillig" impliziert, betonte Rohe, dass die Ursachen für die "Distanz" nicht nur bei den Moslems lägen.
Für friedliches Nebeneinander
Rohe betonte grundsätzlich, dass die Mehrheit der Bevölkerung - Muslime wie Nicht-Muslime - für ein friedliches Nebeneinander und offen für Integration sei.
Insgesamt ist die Situation in Österreich nach Rohes Einschätzung besser als in vielen anderen EU-Staaten: Weder werde "liberales Wegschauen" betrieben wie in Großbritannien noch werde den Zuwanderern "zu viel Uniformität" abverlangt wie in Frankreich.
Rohe kritisiert "Angstdebatte"
Für Rohe dominieren aber "diffuse, abstrakte Ängste" die Diskussion über die Integration von Moslems. "Es handelt sich hierbei um eine Angstdebatte", befand der Erlanger Islamexperte. Die Chancen einer pluralen Gesellschaft für das Land würden dabei übersehen, heißt es in der Studie.
Moslems in "Opferrolle"
Moslems würden sich vor allem in einer "Opferrolle" sehen, die Mehrheitsbevölkerung befürchte einen "Clash of Civilizations".
Probleme gibt es laut Rohe sowohl bei "traditionell-konservativen" als auch bei "religiös-konservativen" Moslems (zusammen 45 Prozent). Es gebe ein "großes Maß an Distanz" zur Mehrheitsbevölkerung, "das unter ungünstigen Rahmenbedingungen umschlagen kann in Gegnerschaft".
In diesem Zusammenhang bezeichnete Rohe die Haltung der Moslems als "Trotzreaktion". Sie wäre auch Folge der Ablehnung der Moslems durch die Mehrheitsbevölkerung.
Macht für Prokop keinen Unterschied
Die Innenministerin verteidigte bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Rohe ihre Aussage vom Wochenende. Die Studie verwende vielleicht "eine andere Form der Wortwahl", so die Ministerin.
Ob die Betroffenen zur Integration nicht in der Lage oder nicht willens sind oder eine Distanz zur Mehrheitsbevölkerung besteht, ist für sie nicht entscheidend: "Das ist im Prinzip meiner Meinung nach das Gleiche."
"Ohne Emotionen" diskutieren
Prokop sprach sich zugleich für eine Debatte über die Integration "ohne Emotionen" aus. Ob ihre eigene Vorgehensweise in dieser Causa sensibel war, wollte sie nicht beurteilen: "Was heißt sensibel? Ich musste Daten, Zahlen nennen. Ich muss die Augen aufmachen."
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