Bei einer Körpergröße von 1,76 Metern wiegt sie 52 Kilogramm - und ist immer noch "zu dick": Das Aus für die 19-jährige Irina in der von Topmodel Heidi Klum moderierten ProSieben-Show "Germany's Next Topmodel" hat in Medien und Internet-Foren eine lebhafte Diskussion über die Maßstäbe der Branche entfacht.
ProSieben betonte, die Maße seien keineswegs der einzige Faktor für ein Weiterkommen in der Sendung. Experten sehen in dem dort vermittelten Maßstab dennoch Gefahren für das Selbstbild von Frauen.
Im Bereich einer möglichen Magersucht
Aus Größe und Gewicht lässt sich der Body-Mass-Index (BMI) ermitteln, der Auskunft darüber gibt, ob jemand Normalgewicht hat. Bei der in der Show als "zu dick" bezeichneten und später ausgeschiedenen Irina liegt er bei 16,8 - und damit im Bereich einer möglichen Magersucht.
"Sehr heftig"
"Einer 19-Jährigen mit einem BMI von unter 17 zu sagen, sie sei zu dick, finde ich sehr heftig", sagt Frank Meyer, leitender Psychologe der Christoph-Dornier-Klinik für Psychotherapie in Münster.
Frauen würden so angeleitet, konsequent dem eigenen Körpergefühl zu misstrauen. Zwar werde eine einmalige Äußerung wohl keine gesunde Frau mit einer guten Einstellung zu ihrem Körper in eine Essstörung treiben, betont Meyer.
"Aber es ist ein Problem bei Menschen, die schon beeinträchtigt sind. Der Einstieg in die Magersucht sind genau solche Rückmeldungen, die von der Familie, von Freunden oder vom Trainer kommen."
"Irgendwie sieht es toll aus"
Auch Georg Ernst Jacoby, Chefarzt der auf die Behandlung von Essstörungen spezialisierten Klinik am Korso in Bad Oeynhausen, zeigt sich verwundert. "Es ist entsetzlich, dass so etwas gesendet wird", sagt er.
"Junge Mädchen, die vielleicht bereits untergewichtig sind, denken dann: Irgendwie sieht es toll aus, wenn ich so dünn bin." Die extrem schlanken Körper seien "erkauft um den Preis einer ständigen rigorosen Selbstkontrolle".
Hinzu komme, dass nur wenige die Disziplin für eine strenge Ernährungskontrolle hätten: "Die anderen werden darüber bulimisch."
Steigender Bedarf an Beratungen
Zuverlässige Statistiken zur Verbreitung von Essstörungen wie Magersucht und Bulimie in Deutschland existieren nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung nicht.
Man wisse aber von den Beratungsstellen, dass der Bedarf an Beratungen steige, sagt Sprecherin Marita Völker-Albert. "Schönheitswahn und Schlankheitsideal sind Themen, die schon junge Mädchen immer mehr beschäftigen."
Über 11.000 Bewerbungen
Mehr als 11.000 Frauen bewarben sich für die Teilnahme an "Germany's Next Topmodel", 32 von ihnen waren in der ersten Sendung dabei, zwölf blieben danach übrig.
Die "schönste" der "Nachwuchsschönheiten" bekommt einen Modelvertrag und ein Titel-Shooting der deutschen Ausgabe der Zeitschrift "Cosmopolitan".
ProSieben betonte, für das Weiterkommen seien zwar unter anderem bestimmte Maße, aber auch Natürlichkeit und Selbstständigkeit von Bedeutung. Es habe zwar kritische Stimmen zur Sendung gegeben: "Aber es gibt auch viele, die etwas anderes sagen."
Ausstrahlung und Disziplin
Jury-Mitglied Peyman Amin erklärte in einem von dem Sender veröffentlichten Statement, wichtige Kriterien bei der Auswahl der Models seien auch Ausstrahlung und Disziplin.
Dennoch räumte er ein, dass die Maße in der Branche besonders bedeutend seien: "Die Diskussion um Maße gibt es, seit es Models gibt. Die Anforderungen stellen einzig und allein die internationalen Topdesigner." Diese hätten genaue Vorstellungen: "Deshalb muss ein Haute-Couture-Model die richtigen Maße haben."
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